piwik no script img

Lobbyist zu Standards der Textilindustrie„Der Weg ist noch nicht klar“

Stefan Genth, Geschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, über Gewerkschaften, unverzichtbare Chemikalien und kontrollierbare Verträge.

Kleidungsproduktion in Bangladesch: „Das Problem ist, dass unsere Händler nicht den Lohn der Textilnäherinnen bestimmen“, sagt Stefan Genth. Bild: dpa
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

taz: Herr Genth, warum tritt Ihr Verband nicht dem Textilbündnis für faire Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten bei?

Stefan Genth: Wir halten das Ziel für richtig und unterstützen die Initiative weiterhin, soziale und ökologische Standards zu verfolgen. Für uns ist aber der Weg noch nicht klar, wie man das umsetzen kann.

Was sind denn die größten Hindernisse?

Die ökologischen Standards schließen bestimmte chemische Stoffe in der Herstellung aus, die möglicherweise umweltschädliche Auswirkungen haben. Wir können sie aber noch nicht komplett ersetzen. Zu den sozialen Standards: Wir können uns nicht verpflichten, überall Gewerkschaften zu haben, weil das in diesen Ländern von staatlicher Seite nicht vorgesehen ist.

Einige haben bereits zugesagt, auf alle gefährlichen Chemikalien zu verzichten. Zeigt das nicht: Es geht doch?

Das funktioniert nicht für alle Unternehmen und nicht von heute auf morgen.

In welchen Produktionsländern existieren denn keine Gewerkschaften?

In Myanmar beispielsweise.

Bild: dpa
Im Interview: Stefan Genth

51, ist Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland. Er vertritt unter anderem die Unternehmen Aldi, Lidl und Otto, die nicht zum Textilbündnis gehören.

Aber Myanmar ist doch ein kleiner Produzent. Rechtfertigt das, den Aktionsplan des Bündnisses nicht zu unterschreiben?

Der Gewerkschaftspunkt allein nicht, aber der Plan enthält noch eine Reihe anderer Maßnahmen.

Warum kaufen Ihre Firmen nicht bei Lieferanten, die existenzsichernde Löhne zahlen?

Das Problem ist, dass unsere Händler nicht den Lohn der Textilnäherinnen bestimmen. Das sind Fabriken, die für eine Menge von Herstellern arbeiten. Über Verträge kann man vieles regeln, aber das muss dann auch kontrollierbar sein.

Die deutschen Handelsunternehmen könnten doch die Näherinnen vor Ort fragen – so wie das Aktivisten tun.

Der Mittelstand im Textilhandel weiß nicht, über welche Produktionsschritte die Dinge hergestellt werden. Wenn sie kleine Stückzahlen kaufen, gehen die über mehrere Agenturen.

Aber Firmen wie Trigema oder Vaude sind dem Bündnis beigetreten. Wollen die anderen nicht?

Diese Unternehmen produzieren vor allem in Deutschland oder kleinere Stückzahlen mit Stammlieferanten. Das ist aber nicht für alle Firmen möglich.

Oder steckt hinter dem Nicht-Beitritt die Befürchtung, dass der Gewinn sinken könnte?

Nein. Es geht bei der Textilnäherin nur um wenige Cent, die sie in der Stunde mehr verdienen muss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.