Lobbyismus im Parlament: Britische Politiker zu mieten wie ein Taxi

Für drei bis fünftausend Pfund am Tag verkaufen sich selbst Ex-Minister an Lobbyisten. Das ergab eine verdeckte Untersuchung von "Channel 4" und "Sunday Times"

Ist das ein typisches britisches Taxi oder doch ein Labour-Politiker, der Interessenten gegen Geld zum Ziel bringt. Bild: rtr

DUBLIN taz | Die vorsichtigen Hoffnungen der britischen Labour Party auf ein anständiges Wahlergebnis im Mai haben einen Dämpfer erhalten. Drei ehemalige Minister der Partei wurden dabei ertappt, wie sie ihren politischen Einfluss zu Geld machen wollten. Sie wurden gestern vorläufig aus der Partei ausgeschlossen, um den Schaden für die Regierung zu begrenzen. Der Fernsehsender Channel 4 und die Sunday Times hatten ihnen eine Falle gestellt und ihre Gespräche mit einer jungen Frau, die sich als Vertreterin einer US-amerikanischen Lobbyfirma ausgab, mit versteckter Kamera gefilmt.

So brüstete sich der frühere Transportminister Stephen Byers damit, dass er wichtige Regierungsentscheidungen beeinflusst habe. Er behauptete, er habe Wirtschaftsminister Peter Mandelson im Auftrag der Supermarktkette Tesco dazu überredet, die Vorschriften für die Warenauszeichnung von Lebensmitteln abzumildern. Außerdem habe er geheime Absprachen mit dem Verkehrsminister Andrew Adonis über die Bedingungen für die Kündigung eines Lizenzvertrages der Bahngesellschaft National Express getroffen - mit Millionen Kosten für den Steuerzahler.

Er sei "wie ein Taxi, das man mieten" könne, sagte Byers zu der vermeintlichen Lobbyistin. Allerdings ein teures: Er verlangte 3.000 bis 5.000 Pfund am Tag. Dafür habe er auch etwas zu bieten: "Ich erhalte noch immer viele vertrauliche Informationen, weil ich nach wie vor mit dem Premierminister verbunden bin." Und mit seinem Vorgänger Tony Blair ebenfalls: "Wenn die Kunden es wünschen, kann ich auch mit Tony reden."

Ex-Verteidigungsminister Geoff Hoon bot an, den Kontakt zu amtierenden Ministern herzustellen. Er wolle sein Wissen und seine Kontakte "zu Geld machen", sagte er. Patricia Hewitt, die ehemalige Gesundheitsministerin, behauptete, sie habe einem ihrer Kunden, der ihr 3.000 Pfund pro Tag zahlte, einen Sitz in einem Beratungsausschuss der Regierung verschafft. Sie offerierte, dabei zu helfen, bestimmte Vorschriften aufzuheben, die für ihre Kundschaft hinderlich seien.

Als die heimlichen Filmaufnahmen nun veröffentlicht wurden, ruderten die Ex-Minister zurück. Hewitt und Hoon erklärten, dass sie solche Lobbyarbeit erst nach ihrem Ausscheiden aus dem Unterhaus in Aussicht gestellt hätten. Und Byers, der bei den Wahlen nicht mehr kandidieren wird, sagt, er habe gelogen und seinen Einfluss übertrieben. Er hat die Aufsichtsbehörde für parlamentarische Richtlinien gebeten, sein Verhalten zu untersuchen. Er erwartet, dass er entlastet wird. Außenminister David Miliband distanzierte sich hingegen von Byers. "Niemand darf mit seinem Ministeramt Handel treiben", sagte er.

Die Tories, deren Vorsprung bei Umfragen geschmolzen ist, haben Glück gehabt. Auch sieben ihrer Abgeordneten wurden von der falschen Lobbyistin angesprochen, doch eine von ihnen, Julie Kirkbride, schöpfte Verdacht und informierte das Parteibüro. Daraufhin gingen Eilwarnungen an alle Tory-Abgeordneten heraus. Nun wittert die Partei ihre Chance und verlangt eine öffentliche Untersuchung. Premierminister Gordon Brown lehnt das ab: Schließlich gebe es keine Hinweise auf ein Fehlverhalten im Transport- oder Wirtschaftsministerium.

Browns Anhänger glauben nicht, dass ihm die Affäre bei den Wahlen schaden werde. Schließlich gehören alle drei "Miettaxis" dem Blair-Flügel an. Darüber hinaus steckten Hoon und Hewitt hinter dem Putschversuch gegen Brown im Januar. So überwiegt im Brown-Lager die Schadenfreude. Doch die meisten Wähler werden kaum zwischen den beiden Labour-Flügeln unterscheiden. Und wer es doch tut, kommt zu der Erkenntnis, dass der Grabenkrieg zwischen Blairs und Browns Leuten munter weitergeht- auch nicht gerade eine Wahlempfehlung.

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