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„Lizensierte Bettelei mit Auto“

■ Bremens TaxifahrerInnen sind verdrossen: Nur noch 7 Mark Stundenlohn

TaxifahrerInnen sitzen viel – das ist nicht neu. Neu ist jedoch, wo sie sitzen: Statt im Taxi durch die Stadt zu brausen, bevölkern sie vor allem den Bahnhofsvorplatz. An manchen Tagen stehen dort 30 von rund 560 Bremer Taxen – manchmal länger als eine Stunde. Unter den Sonnenschirmen beim Café versammeln sich derweil die FahrerInnen. „Stammtisch“ klingt das Plätzchen nach Freizeit – auch Außenstehende verstehen auf Anhieb: Flaute im Geschäft.

Mit „20 bis 30 Prozent Umsatzrückgang“ beziffert Heinz Starke, Vorsitzender des Fachvereinigung Personenverkehr die neuesten Entwicklungen in der Branche. Dabei sei die Wagendichte für eine Stadt wie Bremen durchschnittlich. Was die FahrerInnen selbst zu sagen haben, klingt wesentlich anschaulicher: „Ich habe im Juli 1.200 Mark netto auf der Abrechnung gehabt“, erzählt beispielsweise Ursula Teichmann. Seit elf Jahren fährt sie, „aber so mies wie jetzt war es noch nie“. Nur wenn sie über's Einkommen spricht, kommt sie so richtig in Fahrt.

Zwischen fünf und sieben Mark machen die FahrerInnen im Schnitt pro Stunde, so sagen sie. „Wir fahren aus Idealismus“, witzelt die Stammtisch-Runde zynisch. „Schließlich könnten wir bei dem Einkommen auch zum Sozialamt gehen.“ Die Runde übertreibt kaum: Um die fünfzig Jahre alt würden die Männer in Bremen keinen anderen Job finden, schätzen sie selbst. Wenn sie im nächsten Leben nochmal wählen dürften, würden sie nicht mehr ins Taxi steigen. Aber früher war es ja besser und die Fahrerei galt als Job, wo der Chef weit weg war.

Das mit dem Chef ist bis heute so. Dafür sitzen die KollegInnen einander auf der Pelle: Mit sinkenden Umsätzen nahm auch die Kollegialität ab. „Klar, wenn ich um Hilfe funke, kommen alle“, sagt Ursula Teichert. Aber das Problem ist: Die Kollegen sind auch dann vor Ort, wenn eine Tour „abzufischen“ ist. „Das ,wer zuerst kommt, mahlt zuerst' ist schlimmer geworden“, sagen alle. Ihren Namen wollen sie zur Meinung allerdings nicht setzen – „ich will eben keinen Ärger haben“, heißt es.

Der Tourenklau ist mittlerweile zwar erschwert: Dank eines Computer-Displays, den die meisten Halter der ,Taxi-Ruf'-Zentrale für über tausend Mark nach und nach angeschafft haben, erscheint die genaue KundInnen-Adresse nur noch auf dem Mini-Bildschirm: Adressen von StammkundInnen bleiben seitdem geheim – allerdings auch vor den KollegInnen. Die befürchten, daß nun mehr Touren als früher heimlich vermauschelt werden – dabei hat doch jeder selbst ein paar KundInnen fest „eingeschlachtet“.

Aber ansonsten ist guter Rat dem Gewerbe teuer – wenn auch nicht immer durchzusetzen: Die geplante Erhöhung der Grundgebühr von 3,60 Mark auf runde vier Mark mißlang dem neugewählten Vorstand der Fachvereinigung. Seine erste Niederlage. „Da war ein großer Unternehmer vor“, schimpfen die KollegInnen. „Der schöpft ja bei vielen ab. Dem bringt eine geringe Grundgebühr genug“. Bei anderen Ideen des Vorstands sind die FahrerInnen schon skeptischer. Statt einer Ausweitung des Serviceangebots wäre es ihnen lieber, „SchwarzfahrerInnen“ würden kontrolliert. „Die verderben kleinen Haltern die Geschäfte, dabei haben sie noch ein anderes Einkommen.“ Und: „Die Konzessionen müssen reduziert werden.“

Die Vorstandsmitglieder der Fachvereinigung setzen dagegen auf neue Ideen: Kurierdienste, Objektüberwachung oder Sammeltaxi heißen die – aber ganz frisch sind sie auch nicht mehr. „Kurierdienste?“ da lachen selbst TaxifahrerInnen. „Das können Botendienste meistens billiger als wir“. Weil sie die Risiken an Subunternehmer abwälzen, heißt es. Und Objektschutz? „Sie meinen, bei einem Überfall hinfahren?“ Die Taxi-Parkerin am Steintor schaut entsetzt: „Das tät' ich nie. Ich habe zuviel Angst.“ Dabei hat der Oldenburger „Taxi-Ring“ mit Überwachung, ob bei Feuerwarnung oder als Beobachter bei Vandalismus, gute Erfahrungen gemacht. „Es gibt wahnsinnig viele Interessenten“, sagt der Ring-Chef Hans-Günther Bartels. Aber Bremens FahrerInnen bleiben skeptisch – ebenso wie beim Frauennachttaxi. Das will der Taxi-Ruf gemeinsam mit der Frauensenatorin ab November anbieten. Aber: „totgeborenes Kind“, wird schon geunkt. Denn die Senatorin hat nur PR zu bieten. „Da verdienen wir ja nix“, stöhnen die FahrerInnen. ede

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