Linkspartei: "Das war natürlich illusorisch"
Zur Überraschung vieler nominierte die Linkspartei nicht eine dezidierte Vertreterin eines der Parteiflügel, sondern Kristina Vogt aus Walle. Wir wollten wissen, was sie will
taz: Frau Vogt, die Linkspartei in Bremen bietet in der Öffentlichkeit ein zerrüttetes Bild.
Kristina Vogt: Ich glaube, dass das überbewertet wird.
Die Öffentlichkeit erfährt vielfach nur das, was einzelne Mitglieder der Linken den Medien erzählt haben.
Wir sind eine junge Partei, erst vier Jahre alt. Es hat in den letzten drei Jahren gewisse Entwicklungen gegeben, die zu klaren Mehrheiten geführt haben. Die Personalquerelen sind von interessierter Seite in die Öffentlichkeit getragen worden.
Als Spitzenkandidatin hatten Sie bei der Stichwahl nur eine Stimme Mehrheit.
Es gab drei Kandidatinnen, so ist das in der Demokratie. Die personellen Auseinandersetzungen werden in der Öffentlichkeit stark überbewertet. Ich traue uns zu, dass wir ein gutes Wahlergebnis holen. Wir sind stark auf der Straße, wir können gut mobilisieren. Wir haben viele Mitglieder, die selbst von Armut betroffen sind und wissen, worüber sie reden. Außerdem haben wir mit einigen Inhalten Alleinstellungsmerkmale: Wir sind zum Beispiel die einzige Partei, die eine gemeinsame Beschulung aller SchülerInnen bis zur 10. Klasse fordert. Hier hat Rot-Grün das Wahlversprechen von 2007 gebrochen.
Auf Platz zwei ist Klaus-Rainer Rupp gewählt worden, dem der Fraktionsvorsitzende Peter Erlanson bescheinigt, er sei "Rechtsopportunist".
Ich selbst zähle mich zum linken Flügel. Ich finde es gut, wenn es in der Partei politische Debatten gibt, dann wird vielleicht auch deutlicher, was solche Flügel-Bezeichnungen wirklich bedeuten.
Das heißt: Da geht es mehr um Etiketten?
Manchmal geht es mehr um Etiketten als um politische Gräben.
Bei der wichtigen Auseinandersetzung um Hartz IV - gibt es da politische Meinungsunterschiede?
Mit Sicherheit. Es gibt in der Partei eine große Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen. Viele befürworten das, andere sehen es differenzierter. Ich zum Beispiel.
Was bedeutet das?
Ich finde, dass man den Menschen ihre Würde geben muss, Hartz IV ist entwürdigend, das geht gar nicht. Erwerbslose müssen ein sicheres Einkommen haben. Aber ein Grundeinkommen ohne klare Vorgaben für Mindestlohn und Vergesellschaftung der öffentlichen Daseinsvorsorge würde zum Beispiel Lohndumping zur Folge haben, weil Unternehmen auf der Basis dieses Grundeinkommens niedrige Löhne anbieten könnten.
Das sind Fragen, die nicht in Bremen entschieden werden. Gab es bei den Anträgen zum Haushalt vorher Kontroversen?
Auch. Insbesondere als die Fraktion 2009 dem Haushalt in erster Lesung dem Haushalt zugestimmt hat. Es wurde Klaus-Rainer Rupp vorgeworfen, dass er sich mit seiner keynesianischen Politik weit entfernt von einer grundsätzlicheren Kritik. Aber das sind Auseinandersetzungen, von denen die Linke lebt.
Wenn die Linke die bremische Haushaltsdisziplin angreift, verstellt sie sich die Möglichkeit einer Koalitionsbeteiligung. Ihre sozialpolitischen Forderungen dagegen machen sie käuflich - wie man in Nordrhein-Westfalen sieht. Will die Bremer Linke nun in die Regierung oder nicht?
Es wird keine Koalition geben. Das würde auch keinen Sinn geben, weil man unter den jetzigen Bedingungen nichts ändern kann in der Regierung. Die Verwaltung ist zudem so SPD-dominiert, dass jetzt schon manche politischen Beschlüsse einfach nicht umgesetzt werden.
Zum Beispiel?
In der Koalitionsvereinbarung steht die Abschaffung der Kettenduldung - das wird einfach nicht gemacht. In Bremen leben immer noch 2.000 Menschen mit Kettenduldung - teilweise seit über zehn Jahren.
Wenn man in der Regierung nichts ändern kann - wie dann?
Durch außerparlamentarischen Druck. Ich denke auch, dass wir da erfolgreicher sind. Man stelle sich vor, wir wären an der Regierung - dann würde niemand mehr kritische Fragen stellen.
In Berlin sieht die Linkspartei das aber anders. Sie macht dort in der Regierung die Sparpolitik, die sie in Bremen vehement angreift.
Das ist wahr. Die Landesverbände sind relativ autonom.
Als ich gehört habe, dass Gesine Lötzsch, die ja aus Ostberlin stammt, über den Parlamentarismus zum Kommunismus kommen will, habe ich gestaunt.
Ich fand das auch bemerkenswert. Ich finde es gleichzeitig wichtig, über das Thema zu reden. Im Westen wird Kommunismus ja mit Stalinismus und dem realen Sozialismus gleichgesetzt. Für mich waren das gescheiterte Versuche, das hatte mit Kommunismus nichts zu tun. Wenn man sich diese Welt anguckt, dann ist es legitim, über Alternativen zu diesem System nachzudenken. Für mich gibt es kein gelebtes Modell für eine Systemalternative. Insbesondere müssen das die Menschen auch wollen, sonst wechselt man nur Eliten aus.
Wo war Ihre persönliche politische Heimat, bevor sie zur Linkspartei kamen?
Ich lebe seit 1984 in Bremen, meine Familie kommt hier her. Politisch war ich von der "Autonomia Operaia" in Italien beeinflusst. Es gab damals die Idee, auch in Deutschland zum Beispiel über eine Jobber-Bewegung Veränderungen zu bewirken. Das war natürlich illusorisch. Ab Ende der Achtziger hatte ich in Walle die Kneipe "Horizont". Seit zwölf Jahren bin ich nun Rechtsanwaltsfachangestellte.
Sie waren Fan des italienischen Philosophen und Linksradikalen Toni Negri?
Der theoretische Ansatz war umfassend, das hatte für uns großen Charme. Inzwischen ist es für mich Vergangenheit, aber es hat mich geprägt.
Wollen Sie, wenn die Linke ins Parlament einziehen sollte, Fraktionschefin werden?
Das Recht, ihre Vorsitzende zu wählen, haben die Mitglieder der Fraktion. Das ist nicht meine Entscheidung allein. Ich würde es schon machen wollen.
Kristina Vogt, 45, ist Rechtsanwaltsfachangestellte, Mitglied im Beirat Walle und im erweiterten Landesvorstandes der Linkspartei - der sie seit 2008 angehört.
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