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Linkspartei nach der WahlschlappeRettung dringend gesucht

Bei einer Krisensitzung nach der Europawahl machen die Vorsitzenden der Linken deutlich: Sie kleben nicht an ihren Stühlen.

Wer steht, kann auch nicht am Stuhl kleben: Janine Wissler und Martin Schirdewan bei einer Pressekonferenz im November 2023 Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Berlin dpa | Bei der Linken bahnt sich ein Führungswechsel im Herbst an. Die Parteivorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler hätten sehr deutlich gemacht, dass sie nicht an ihren Stühlen klebten, hieß es am Sonntag nach einer Krisensitzung des Bundesvorstands mit den Landesvorsitzenden der Partei. Eine Arbeitsgruppe solle einen Fahrplan für eine inhaltliche, strategische und personelle Aufstellung mit Blick auf den Bundesparteitag im Oktober in Halle erarbeiten. Wichtig sei ein geordneter Prozess, hieß es aus Parteikreisen.

Die Linke hatte bei der Europawahl Anfang Juni nur noch 2,7 Prozent der Stimmen erhalten – etwa halb so viele wie fünf Jahre zuvor. „Das Ergebnis der Europawahl war für die Linke ein schwerer Schlag“, heißt es in einem Beschluss nach der Sitzung zur Aufarbeitung der Wahlschlappe am Wochenende. „Zusammenfassend müssen wir feststellen: Unsere Wahlstrategie ist nicht aufgegangen.“

Schon bei der Bundestagswahl 2021 und den folgenden Landtagswahlen hatte die Linke sehr schwach abgeschnitten. Seit langem gibt es Kritik am Bundesvorstand, auch aus der Bundestagsfraktion. In den vergangenen Tagen forderten die früheren Fraktionschefs Gregor Gysi und Dietmar Bartsch eine „strukturelle, politische und personelle Erneuerung“. Sachsen-Anhalts Fraktionschefin Eva von Angern drängte Wissler und Schirdewan, beim Parteitag nicht mehr anzutreten.

Positionen drangen nicht durch

Die beiden führen die Partei seit 2022 gemeinsam. Zuvor amtierte Wissler ein gutes Jahr mit Susanne Hennig-Wellsow, die im April 2022 zurücktrat. Schirdewan hatte zuletzt schon angedeutet, dass er über einen Rückzug im Herbst nachdenke. Bei der Sitzung am Wochenende habe es selbstkritische Töne der Parteivorsitzenden und der Landesvorstände gegeben, dass programmatische Klärungsprozesse liegengeblieben seien, hieß es.

Das Beschlusspapier schlüsselt die Schwachpunkte auf: Die Linke habe sich bemüht, soziale Gerechtigkeit „zentral zu stellen“ sowie Klimagerechtigkeit, Frieden, Flucht und Kritik an der Aufrüstungspolitik zu thematisieren. Doch hätten Außenpolitik und Migration die mediale Debatte bestimmt. Vertreterinnen und Vertreter der Linken seien nicht durchgedrungen.

Die Linke hatte nach jahrelangem Richtungsstreit im Oktober 2023 mit Sahra Wagenknecht eine ihrer bekanntesten Politikerinnen verloren. Sie gründete ihre eigene Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht, und erreichte bei der Europawahl aus dem Stand 6,2 Prozent.

Rund 430.000 BSW-Stimmen kamen von der Linken, wie diese in ihrem Beschluss festhält. 86 Prozent der BSW-Wähler fänden es gut, dass die neue Partei sich gleichzeitig für mehr Soziales und weniger Zuwanderung einsetze. Das BSW habe „rechte Stimmungen in der Bevölkerung aufgreifen“ können und sei somit „Teil der generellen gesellschaftlichen Rechtsentwicklung“.

Von Linken lernen

In Zukunft solle die Linke „deutlicher formulieren, wie eine humane Migrationspolitik als Alternative zur Abschottungspolitik“ aussehe. Auch in der Friedenspolitik müsse die Partei wahrnehmbarer werden. Die Linke müsse soziale Gerechtigkeit als Kernthema weiter stärken und ihre Forderungen zuspitzen.

Als erste Schritte nimmt sich die Partei vor, die Veränderungen ihrer Wählerschaft genauer zu untersuchen, von erfolgreicheren linken Parteien in Europa zu lernen und sich besser mit linken Bewegungen und Verbänden in Deutschland zu vernetzen. Über den Sommer soll eine „Gesprächsoffensive“ starten.

Die Kritik von Bartsch und Gysi spielten die Teilnehmer des Krisentreffens an diese zurück. Es sei nicht gut angekommen, dass Bartsch und seine Anhänger in der Öffentlichkeit eine Personaldebatte angefeuert hätten, hieß es aus Parteikreisen.

Bartsch hatte lange versucht, die Abspaltung von Wagenknecht zu verhindern und so den Fraktionsstatus der Linken im Bundestag zu sichern. Im Beschluss vom Sonntag heißt es, deshalb seien viele Fragen nicht entschieden worden. „Im Ergebnis erschienen wir vielen potenziellen Wäh­le­r*in­nen als profillos oder mit unklarem Profil.“

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5 Kommentare

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  • "In Zukunft solle die Linke „deutlicher formulieren, wie eine humane Migrationspolitik als Alternative zur Abschottungspolitik“ aussehe. Auch in der Friedenspolitik müsse die Partei wahrnehmbarer werden. "



    Die Wahrnehmung ist nicht das Problem, die fehlende Substanz in diesen Fragen ist es. "Wir unterstützen vorbehaltlos die Ukraine, aber sind gegen alle Waffenlieferungen" ist eine Unsinnsposition, und ein Konzept der Linken über eine humane Migrationspolitik, dass die Thematik ernsthaft angeht und sich nicht auf Parolen wie "Kein Mensch ist illegal" oder "Grenzen weg" beschränkt, ist mir nicht bekannt. Immerhin hat man nun erkannt, dass man sich zu diesen Themen positionieren muss - warten wir mal ab, was diese Positionierung ergibt.

  • Es gibt wohl in der Politik nichts perverseres als eine Partei die den Faschisten Putin unterstützt links zu nennen.

  • wahrnehmbarkeit ist auch stark davon abhängig, wie eine partei in den medien vorkommt. ich hatte den eindruck, daß immer die sw + jetzt bsw von den medien besser bedient werden als die linke. umgekeehrt reziprok versank diese in der bedeutungslosigkeit, während bsw die fdp überlfügelt.#



    beide parteien haben bewegungsmäßig nichts zustande gebracht - programmmäßig is das programm der linken "runder" als das von bsw. bsw bedient ähnlich wie afd wut + niedrige instinkte. wenn der "zeitgeist" gerade mal nach rechts schwenkt, paßt bsw in diesen trend beser rein.



    da lösen auch personalrochaden bei der linken rein gar nix, ich sehe dort keine person, die eindeutig für einen aufbruch stehen könnte.

    • @Brot&Rosen:

      Da ist die Linke aber zum Teil auch selbst dran schuld. Ich habe mir vor der Europawahl mehrere Interviews mit Janine Wissler und Martin Schirdewan angesehen. Auf die Frage nach Migration antworteten beide grundsätzlich nicht, reagierten immer nur mit "das ist doch die falsche Frage, wir sollten lieber über Anerkennung von Berufsabschlüssen reden" oder ähnlichem. Wer aber die Fragen nicht beantworten möchte, die die Leute bewegen (egal, in welche Richtung), den nimmt man nicht ernst. Und aus meiner Sicht braucht die Linke keinen (ja von Janine Wissler schon mehrfach verkündeten) "Aufbruch", sondern eine Klärung ihrer Positionen. Neues Personal wäre dafür ein Anfang - ich hoffe allerdings, dass dieses nicht 5 Minuten auf der Wahl schon wieder von 20 Bundestagsabgeordneten der Linken auf Twitter schlechtgemacht wird, wie es in dieser Partei dauernd vorkommt.

  • Vielleicht sollte der Rest der Truppe lieber eine echte neue soziale Bewegung initiieren, statt an alten Floskeln und Formeln zu kleben. „Links“ ist ja eher eine Herkunfts- als eine Zustands-, geschweige denn eine Zukunftsbeschreibung im politischen Spektrum.