Linkspartei-Chef Klaus Lederer: "Uns steht das Wasser nicht bis zum Hals"
Es läuft nicht rund für die Linke, der Weg in die Opposition droht. Ihr Vorsitzender Klaus Lederer erklärt, wie die Partei in die Offensive gehen will - und was er von Briefen an Fidel Castro hält
taz: Herr Lederer, mal ehrlich: Opposition ist auch was Schönes.
Klaus Lederer: Spaß ist an dieser Stelle nicht das Entscheidende. Natürlich ist es anstrengend, sich mit der SPD über komplizierte Sachfragen zu streiten - offen oder hinter verschlossenen Türen. Wir hatten das bei den Kosten der Unterbringung im Hartz-IV-Bereich, beim öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und in vielen anderen Fragen. Entscheidend ist, ob man am Ende etwas durchsetzen kann. Egal ob nun aus der Regierung heraus oder als Opposition, hängt es auch davon ab, ob die Linke gestärkt wird.
Gab es tatsächlich keinen Moment, wo Sie dachten: Ich hab das jetzt satt, selbst die Erfolge der Linken beansprucht Klaus Wowereit für sich?
Ich wünsche mir manchmal von meiner Partei ein bisschen mehr Selbstbewusstsein in der Öffentlichkeit. Warum spielen wir da nicht mit verteilten Rollen? Auf der einen Seite Politik in der Regierung durchsetzen, auf der anderen in der Öffentlichkeit Druck machen. Da wünsche ich mir mehr Schwung, etwas mehr Kampfgeist. Außerdem kann Opposition auch versauen …
Inwiefern?
Wenn ich mir ansehe, mit welcher Doppelzüngigkeit im Abgeordnetenhaus Oppositionsparteien agieren. Da werden 400 Lehrerstellen zusätzlich gefordert, 200 Polizisten mehr, und gleichzeitig soll wieder eine Viertelmilliarde eingespart werden.
Klaus Lederer, 37, ist seit 2005 Vorsitzender der Berliner Linkspartei. Seit 2003 sitzt er im Abgeordnetenhaus.Er ist rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion.
Wie viel Prozent geben Sie denn einer Fortsetzung von Rot-Rot nach dem 18. September?
Derzeit liefern sich Schwarz-Grün und Rot-Rot ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ich räume aber gerne ein, dass unsere Partei deutlich zulegen muss, damit wir in möglicherweise anstehenden Koalitionsverhandlungen in der Lage sind, mit einem gewissen Gewicht politische Inhalte einzubringen.
Wie wollen Sie das bewerkstelligen?
Wir müssen thematisch in die Offensive gehen. Unseren Anteil an den Erfolgen dieser Koalition unterstreichen und deutlich machen, dass es nur mit uns sozial weitergeht. Das ist das Gegenteil des Schnappiwahlkampfs der SPD. Da sind die Finanzmärkte aus den Fugen …
… und die Linkspartei profitiert nicht davon.
Weil wir mit Debatten konfrontiert werden, von denen wir glaubten, sie seien überwunden. Das ärgert mich.
2006 hatte die Linke 13,6 Prozent. Alle Umfragen der letzten Wochen sehen Ihre Partei darunter, nach eine Umfrage gibt es gar nur noch 8 Prozent.
Offensichtlich sind viele Wähler gerade auf SPD und Grüne orientiert. Das ist eben die Personalisierung des Wahlkampfs auf Wowereit und Künast.
Einspruch: Vor einiger Zeit sagte Ihr Spitzenkandidat Harald Wolf, nun, da das Duell entschieden sei, spielten auch die Themen wieder eine Rolle.
Da sind wir dabei. Es ist aber nach wie vor schwer, mit den Inhalten durchzudringen. Auf der anderen Seite wird vielen Wählerinnen und Wählern auch erst jetzt bewusst, dass die Wahl vor der Tür steht. Das ist auch unsere Chance. Vor allem bei den Unentschlossenen.
Als die Bundesvorsitzenden der Linken, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, in einem Geburtstagsbrief Fidel Castro huldigten, war vom Spitzenkandidaten dazu nichts zu hören. Wie hilfreich ist denn Harald Wolf in diesem Wahlkampf?
Wir haben eine Arbeitsteilung. Harald Wolf hat als Wirtschaftssenator ein hohes Ansehen und hat für die Stadt Enormes geleistet. Da muss er sich nicht zu jedem Fauxpas der Partei äußern. Das fällt in mein Ressort, und ich tue es auch - auch zum Brief an Fidel Castro.
Sie haben gesagt, dass es Ihnen bis hier oben stehe.
Ich verstehe unter Solidarität und Internationalismus konkrete Unterstützung und nicht, Staatsführern unkritisch zu huldigen. Wir werden immer wieder mit Themen konfrontiert, die mehr den Charakter von Selbstbeschäftigung haben, als dass sie eine Auseinandersetzung wären mit den realen Sorgen der Leute und ihren Erwartungen an linke Politik. Also Rekommunalisierung der Netze oder das Recht auf Stadt.
Dem Absturz der Linken auf 8 Prozent ging eine Umfrage voraus, die in den Tagen vor dem 13. August geführt wurde, also zum 50. Jahrestag des Mauerbaus.
Bis zum Dezember letzten Jahres waren wir immer stabil bei 15, 16, 17 Prozent. Offenbar haben die massiven Selbstbeschäftigungsprozesse nicht nur die eigenen Mitglieder irritiert, sondern auch Wählerinnen und Wähler. Die wollen wissen, ob die Positionen, die sich die Linke zum real existierenden Sozialismus und zum Thema Menschenrechte erarbeitet hat, nach wie vor gelten.
Hatte das auch Auswirkungen auf den Wahlkampf?
Es haben viele berichtet, dass sie zuletzt vor zehn Jahren so massiv als Mauermörder beschimpft wurden. Das hat bei den Mitgliedern auch Sorgen und Ängste bezüglich unserer Haltung ausgelöst.
Würde die Tendenz zur Beschäftigung mit sich selbst zunehmen, wenn die Linke nach den Wahlen auf der Oppositionsbank Platz nehmen müsste?
In Berlin haben wir schon in den Neunzigern Oppositionspolitik gemacht, ohne nur die Backen aufzublasen.
Damals hießen die Bundesvorsitzenden auch nicht Lötzsch und Ernst.
Wir als Landesverband treten mit dem Anspruch an, die Probleme der Stadt und der Berlinerinnen und Berliner anzugehen.
Sie schließen also Klassenkampfparolen auch für den Fall der Opposition aus.
Wir machen hier eine gute Stadtpolitik. Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass wir das fortsetzen - ob in der Regierung oder in der Opposition.
Sie haben als Grund der derzeitige Misere einmal die Konzentration der Öffentlichkeit auf Klaus Wowereit und Renate Künast genannt, dann die Beschäftigung in Ihrer Partei mit sich selbst. Es scheint, als stünde Ihnen das Wasser bis zum Hals.
Uns steht das Wasser nicht bis zum Hals.
Auf einem Ihrer Plakate steht: Mieter vor Wild-West schützen. Dazu hatten Sie in der Regierung zehn Jahre lang Zeit.
Wir waren 2006 die einzige Partei, die weitere Verkäufe kommunaler Wohnungsbestände ablehnte, und haben das gegen die SPD durchgesetzt. Ebenso die Verlängerung des Kündigungsschutzes bei Eigentumswohnungen. Das Thema Verbot von Zweckentfremdung von Wohnraum als Ferienwohnungen haben wir auf die Agenda gebracht. Wir machen Druck, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nicht auf Maximalrendite getrimmt werden, sondern endlich ihrer Steuerungsfunktion gerecht werden können. Leider stellen wir nicht die Stadtentwicklungssenatorin.
Wäre es nicht ein starkes Signal gewesen, im Bauausschuss mit den Grünen für das Zweckentfremdungsverbot zu stimmen?
In der Koalitionsvereinbarung steht, dass die Koalitionspartner nicht gegeneinander abstimmen. Das sorgt dafür, dass auch die SPD nicht alles durchdrücken kann, beispielsweise eine Verlängerung der Autobahn schon vor der Wahl.
Wie sieht der Endspurt im Wahlkampf der Linken aus?
Es wird noch einen Wählerbrief geben, der alle Haushalte erreichen soll. Wir intensivieren den Straßenwahlkampf. Wir setzen weiter auf Themen. Im Mittelpunkt steht die Lebenssituation der Berlinerinnen und Berliner - und wie man sie verbessern kann.
Wird es gemeinsame Auftritte von Ihnen mit Gesine Lötzsch und Klaus Ernst geben?
Wir werden mit allen Akteuren aus der Bundespolitik auftreten - auch mit Oskar Lafontaine und Gregor Gysi. Wir haben da aber deutlich gemacht, dass wir die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Partei und die Bewertung von Ereignissen in der Vergangenheit auf die Zeit nach dem 18. September vertagen wollen.
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