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Linker Bundespräsidenten-KandidatEtwas Licht in der Finsternis

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei ist verunsichert und orientierungslos. Ihr Bundespräsidenten-Kandidat Trabert macht Hoffnung – mehr aber auch nicht.

Wird wohl mit freundlichem Interesse rechnen können: Gerhard Trabert tritt für die Linke an Foto: Kristina Schaefer/epd/imago

D ie Linkspartei steckt in einer existenziellen Krise. Die Wahlniederlage im September hat aufgedeckt, wie fundamental Verunsicherung und Orientierungslosigkeit der Partei sind. Was die Linkspartei will, ist in zentralen politischen Feldern nicht erkennbar.

Bei Migration reicht das Spektrum von offenen Grenzen bis zu Sahra Wagenknechts Migrationsskepsis, beim Klimawandel von Kohle-Nostalgikern bis zu Fridays-for-Future-AktivistInnen, bei der Außenpolitik von Menschenrechtsanhängern bis zu Putin-Fans. Die Linkspartei wird nur noch von Formelkompromissen zusammengehalten.

Diese Krise ist nicht situativ, sondern strukturell. Alle fundamentalen Fragen, auch ob man linke Regierungspartei oder Opposition für immer sein will, haben die GenossInnen lange in machtpolitischen Notbündnissen stillgelegt. Das hat zehn Jahre lang einigermaßen funktioniert, doch jetzt dreht die Konsensmaschine leer.

War was?

Das depressive Bild fällt noch grauer aus, weil Partei und Fraktion sogar an der leichtesten Aufgabe, die sich nach einer Niederlage stellt, scheiterten: der personellen Erneuerung. Die blasse Fraktionsspitze, Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali, wurde wiedergewählt, als wäre nichts passiert. Auch Jörg Schindler, der den unauffälligen Wahlkampf verantwortete, ist rätselhafterweise noch immer Bundesgeschäftsführer. War was?

In dieser Finsternis flackert nun ein kleines Lichtlein. Die Idee, den Sozialmediziner Gerhard Trabert gegen Frank-Walter Steinmeier als Kandidaten für die Bundesversammlung aufzustellen, ist charmant. Trabert tritt bescheiden, sympathisch und gewinnend auf. Und er verkörpert als Obdachlosenarzt und Flüchtlingshelfer einen umfassenden und nicht national verengten Begriff des Sozialen.

Die Linkspartei hat zudem das Glück, dass die Union keine eigene Gegenkandidatin präsentiert. Deshalb ist Trabert die einzige demokratische Alternative zu Steinmeier und wird wohl mit freundlichem Interesse rechnen können. Traberts Kandidatur ist ein Zeichen dafür, dass bei der Linkspartei noch nicht alle Lichter aus sind. Lösen wird sie deren Krise nicht.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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5 Kommentare

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  • Bernhard Schulz , Autor*in ,

    Einen Zählkandidaten aufzustellen, nachdem alle anderen Parteien (AfD vergessen wir) sich auf die Wiederwahl des Amtsinhabers geeinigt haben, ist nur noch peinlich. Wenn die Linke ernsthaft hätte Politik machen wollen, hätte sie ihren Kandidaten VOR ALLEN ANDEREN Parteien nominieren müssen!

  • war heute morgen im DLF... klar, sachlich, scheinbar durchaus geübt darin seine Anliegen politisch diplomatisch zu formulieren.

    Es gäb wohl schlechtere Vorschläge - z.B. Steinmeier

  • Sind wir doch mal ehrlich: Die Linke existiert nur wegen ein paar Ost Nostalgikern nach der Wende. Als Protestpartei hat sie ausgedient und wie der Artikel beschreibt kann kaum einer was mit einer Partei anfangen die in allen Richtungen verspricht.

  • Anstatt sich tagelang Gedanken über einen vollkommen aussichtslosen Gegenkandidaten zu machen (einfach nur um einen Kandidaten aufzustellen), sollte die Partei vielleicht lieber die Zeit nutzen um die internen Personalfragen ehrlich aufzuarbeiten. Die älteren Menschen sind der Linkspartei komplett abhanden gekommen und welcher jüngere Wähler, der seine Sinne beisammen hat, soll eine Partei mit DIESEM Führungspersonal wählen. Ich nehme hier Janine Wiessler einmal aus, abgesehen von der relativ kurzen Zeit die ihr bisher zur Verfügung stand, verkörpert sie meiner Meinung nach als einzige einen gewissen (möglichen) Neubeginn und wirkt in Interviews oder allgemeinen Stellungnahmen zumindest sicher und stringent. Frau Henning-Wellsow wirkt für mich in der Bundespolitik vollkommen überfordert/deplatziert und das die Partei ihre komplette Führungsspitze nach DEM Wahldesaster behalten hat, ist grotesk. Der Bundespräsident ist eine behördliche Instanz, die gleichzeitig ab und zu an wichtigen Feiertagen eine Rede halten darf, manche schaffen es sogar, bedeutende Reden an historisch wichtigen Orten zu halten (Yad Vashem). Jedes Mal stellt die Linkspartei aufs neue einen „Gutmenschen“ (nicht böse gemeint) dagegen und am Ende sind dann alle froh, dass falls es WIRKLICH mal ernst wird (Regierungsbildungskrise 2017) jemand da steht, der tatsächlich etwas vom Berliner Parteienapparat versteht. Wie gesagt: Die oberste, behördliche Instanz. Dafür brauche ich keinen Arzt, der Obdachlosen hilft, soll er das doch weitermachen, da ist den Obdachlosen deutlich mehr geholfen, als wenn Herr Trabert im Schloss Bellevue Hände schüttelt. Da ist mir dann sogar Herr Steinmeier als Bundespräsident lieber, auch wenn ich seine Reden keine 2 Minuten hören kann, ohne dabei einzuschlafen… Liebe Linkspartei: Wenn ihr nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wollt, wie wärs dann mal mit etwas mehr Mut zur Ehrlichkeit und den nötigen Konsequenzen, anstatt solch sinnlosen Scharaden…!?

  • Er ist mir sehr sympathisch.



    Und den aktuellen Betroffenheitsprediger habe ich satt.



    Wo darf ich mein Kreuz machen? Achja, schade.