Linken-Mitgliederbefragung: Basis stellt Doppelspitze in Frage
Die designierten Parteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst müssen um ihre Jobs bangen. Doch öffentlich heißen sie die Urabstimmung zum Modell der Doppelspitze gut.
BERLIN taz | Gute Miene zum bösen Spiel? Oder sehen Klaus Ernst und Gesine Lötzsch in dem Mitgliederentscheid tatsächlich kein Votum gegen ihre Personen? "Ein Basisvotum ist eine Bereicherung und keine Gefahr", erklärten die beiden am Wochenende, nachdem klar war, dass es eine Urabstimmung über die geplante Satzungsänderung geben wird. Nach den derzeit geltenden Statuten dürfte auf dem Parteitag im Mai keine Doppelspitze mehr gewählt werden.
Acht Landesverbände haben mittlerweile beschlossen, dass die Parteibasis in einem Entscheid über das Modell der Doppelspitze abstimmen wird. Damit ist die laut Satzung vorgeschriebene Mindestzahl von antragstellenden Verbänden erreicht. Stimmt eine Mehrheit dagegen, dürfen Lötzsch und Ernst nicht im Doppelpack antreten. Die Befragung der rund 80.000 Parteimitglieder soll noch im März beginnen.
Die jetzige Satzung sieht vor, dass die Partei nur bis 2010 von einer Doppelspitze geführt wird. Dass die Linkspartei über zwei Chefs verfügt, geht auf den Fusionsparteitag im Juni 2007 zurück. Um die Vereinigung von PDS und WASG im Führungszirkel abzubilden, einigte man sich damals auf ein Tandem, bestehend aus Oskar Lafontaine von der WASG und Lothar Bisky von der PDS.
Mit Biskys seit langem geplantem Rückzug und Lafontaines plötzlicher Krebserkrankung befürchtet der Parteivorstand nun Flügelkämpfe zwischen Ost- und West-Landesverbänden, er plädiert deswegen für eine Fortsetzung der Doppelspitze. Die Ostberlinerin Gesine Lötzsch und der bayerische Ex-WASG-Funktionär Klaus Ernst würden beide Flügel abdecken. Dafür ist formal gesehen jedoch eine Satzungsänderung notwendig.
Das Ganze sei keine Entscheidung über Personalvorschläge, sagte Linkspartei-Geschäftsführer Dietmar Bartsch. Die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau erklärte, wenn die Partei bereits im Vorfeld über die Beibehaltung einer Doppelspitze abstimme, könnten Lötzsch und Ernst "unbelastet" in den Rostocker Parteitag gehen.
Parteiinterne Kritik gibt es dennoch. Der Linken-Fraktionschef in Sachsen, André Hahn, lehnt eine Doppelspitze dauerhaft ab. "Ich bin perspektivisch für klare Verantwortung." Noch-Parteichef Oskar Lafontaine sprach sich zwar nicht gegen den Mitgliederentscheid aus, wies jedoch darauf hin, dass so eine Abstimmung eigentlich für politische Richtungsentscheidungen vorgesehen sei.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße