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Lindgren-Biografie für KinderDie Helden unserer Kindheit

Sachbücher können auch cool sein. Zum 10. Todestag von Astrid Lindgren erzählt eine Biographie die Geschichte der Erfinderin von Pippi, Michel und Ronja Räubertochter.

Zum Geburtstag wünschte sie sich "Frieden auf Erden und hübsche Kleider": Astrid Lindgren. Bild: dpa

Erwachsene Vorstellungen über Kinder widerlegen – das war stets auch Astrid Lindgrens Sache. Zwar mag Joanne K. Rowling weltweit mehr Bücher verkauft haben als die Schwedin, Lindgren jedoch hat das Bild, das Menschen von Kindern haben, nachhaltig verändert. Ihre unverwechselbaren Figuren aus 82 Büchern – respektlos, frech und selbstbewusst – prägten und begleiten Kindheiten weltweit. Ihre Bücher wurden in 90 Sprache übersetzt.

Wie berühmt Lindgren tatsächlich war, macht Kathrin Hahnemann gleich zu Beginn ihrer Lindgren-Biografie deutlich. Und kontrastiert den Hype um die Pippi-Langstrumpf-Erfinderin mit deren eigenen Worten: "Was für ein Aufstand um diesen Menschen Astrid Lindgren!" Klar, dass die im bescheidenen Småland aufgewachsene Bauerntochter wenig von Glamour hielt. Als zweites von vier Kindern 1907 geboren, erlebt Astrid Ericsson, wie sie damals hieß, genau die Idylle, die sie der Kinderliteratur später mit Büchern wie "Wir Kinder von Bullerbü", "Michel aus Lönneberga" und "Madita" einschreiben wird.

Die Natur und das endlose Spielen – "wir spielten und spielten, so dass es das reine Wunder war, dass wir uns nicht totgespielt haben" – sind die Koordinaten von Astrids Kindheit. Während die Erwachsenen hart arbeiten müssen, sind die Kinder sich selbst überlassen. Mit vielen Anekdoten macht Hahnemann Astrids Kindheit erlebbar und verrät, wie tatsächlich Erlebtes in späteren Büchern seinen Niederschlag findet.

Vielleicht hing Astrid Lindgren ihrer Bauernhofkindheit so sehr nach, weil sie sie so abrupt verlassen musste. Mit 18 Jahren wird sie ungewollt schwanger und zieht nach Stockholm, um sich allein durchzuschlagen. Ihren Sohn bringt sie in Kopenhagen zur Welt, weil man dort den Namen des Vaters nicht zu nennen braucht.

Bis sie ihr erstes Buch schreibt, vergehen jedoch noch viele Jahre. Zunächst arbeitet sie als Sekretärin, lernt ihren späteren Mann kennen, heiratet und bekommt eine Tochter. Später ist sie Hausfrau und Mutter. Irgendwann schreibt sie die Geschichten über ein Mädchen mit Namen Pippi Langstrumpf, die sie ihrer Tochter Karin erzählt, auf und die werden – nach dem zweiten Anlauf – verlegt. Eine Ikone der Kinderliteratur – und des Feminismus! – ist geboren.

Weitere Geschichten und Bücher folgen. Lindgren erfindet nicht nur respektlose Heldinnen und dreiste Fantasiewesen, sondern enttabuisiert Themen, die in der heilen Welt der Kinderliteratur gemieden werden, wie Tod und Krieg, in "Die Brüder Löwenherz" und "Ronja Räubertochter".

Kindern alles zumuten

Lindgren schreibt und schreibt und wird immer berühmter. Obwohl sie das persönlich wenig interessiert, erkennt sie, dass Leute dem, was sie in der Öffentlichkeit sagt, Beachtung schenken, selbst Politiker. Von da an beginnt sie Einfluss zu nehmen, sie meldet sich zu Wort. In ihrer Rede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1978 fordert sie, Eltern sollen ihre Kinder ohne Gewalt erziehen, wenn sie Frieden auf der Welt wünschen. Es dauert ein Jahr, bis in Schweden ein Gesetz erlassen wird, das Erwachsenen und Eltern verbietet, Kinder zu schlagen. Hierzulande wurde erst im Jahr 2000 ein solches Gesetz verabschiedet, 29 Jahre später.

Astrid Lindgren war eine mutige und zugleich sehr humorvolle Frau mit vielen Facetten. Doch wie erreicht Hahnemann, dass diese Lebensbeschreibung Kinder anspricht? "Ich halte es mit Astrid Lindgren, die meinte, man kann Kindern alles zumuten. Man muss nur sehen, wie man es schreibt und wie man es verpackt", erklärt Hahnemann. So spricht die Autorin ihre jungen Leser direkt an, formuliert Fragen, erklärt Hintergründe. Viele unterhaltsame Details spicken das Sachbuch, so dass es sehr erzählerisch wirkt. Zum anderen ist es die "Verpackung", die den Leser für sich einnimmt. Sie entspricht der Gestaltung der Reihe "Wer ist das?", in der bereits Biografien über Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Jane Goodall und andere erschienen sind. Alle Bücher stammen aus Hahnemanns Feder.

Eine Schmuckfarbe, die auch das Buchcover dominiert, setzt sich in der Innengestaltung fort. In dem Band über Astrid Lindgren ist das Hellblau. So wechselt das Schriftbild zwischen schwarzen und hellblauen Textpassagen, aus denen entsprechend einzelne Wörter hervortreten. Dezent fröhliche Zeichnungen von Uwe Mayer, die mit hellblauer Farbe akzentuiert sind, illustrieren die Texte, zu denen ab und an schwarz-weiße Fotos treten. Weder Bleiwüste noch typografische Unruhe, sondern ein aufgelockertes Seitenbild lädt zum Lesen und Betrachten ein.

Ein glücklicher Umstand, dass ein so ansprechender Text so gelungen eingekleidet ist. Lindgren wusste um die Wichtigkeit schöner "Einkleidung". Vielleicht der Grund, warum sie sich zu ihrem 94. – letzten – Geburtstag "Frieden auf Erden und hübsche Kleider!" gewünscht hat?

Kathrin Hahnemann: "Astrid Lindgren – Wer ist das?" Bloomsbury Kinder- und Jugendbücher, Berlin 2011. 14,90 EUR. Ab 8.

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4 Kommentare

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  • G
    Geissen_Petra

    Astrid Lindgrens Bücher waren toll, ich hab sie alle gerne gelesen und lese sie heute gerne noch vor.

  • S
    Susanna

    An meine beiden Vorschreiber:

    Was seid ihr denn für freudlose Gesellen?

    Ein bisschen zu oft im Leben nicht bekommen, was ihr euch gewünscht habt und jetzt gönnt ihr es keinem mehr?

    Den Kindern keinen Spaß und überhaupt niemandem eine Regelübertretung?

    Wie traurig ist das denn?

    "Ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt" kann auch bedeuten, sinnlose Regeln nicht allzu ernst zu nehmen und seiner eigenen Intuition zu vertrauen.

    Gar nicht so ein schlechter Kompass für mein Leben aber auch hat man das ja vermutlich nie durchgehen lassen.

    Ohne Ronja Räubertochter und die Brüder Löwenherz wäre meine Kindheit viel mutloser gewesen.

  • U
    ulschmitz

    tja, T. Kantor, was soll man dabei denken, wenn jemand sagt: "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt..." - dann mal los.

    respektlos, frech, selbstbewusst - das sind doch Träume der Erwachsenen - fehlt nur noch der Käse à la Dröhnemeyer: "Kinder an die Macht!" - schräger - oder anbiederischer - geht's ja nicht; welche Macht soll das sein? Wie darf man sich das vorstellen, wenn so ein wutkreischender Klein-Egomane seinen heiligen Willen nicht bekommt - und nun hätte er "die Macht" - könnte er dann die U-Bahn sprengen oder einen Krieg lostreten. Schon mal geguckt, was heute so im Sandkasten abgeht, wenn 2-3 Kampfzwerge ihren "Willen" nicht kriegen...

    Lindgren ist besser als die Harry-Potter-Tante - aber beide, wie Enid Bylton übrigens auch, gehören gehörig ideologiekritisch unter die Lupe genommen.

  • TK
    Tadeusz Kantor

    von wegen 'Helden', ich konnte Pippi Langstrumpf nicht ausstehen.