Lifestyle-Bioladen: Von wegen Jute und Wollsocken
Der Bioladen "Biolüske" in Berlin Lichterfelde setzt auf Lifestyle und schicke Kochkurse - und spricht vor allem Business-Kunden an. Teil 2 der taz-Serie über innovative Biokonzepte.
BERLIN taz Jörg Schanko könnte der typische Biolüske-Kunde sein: Der 49 Jahre alte Technologieberater kauft in Bioläden nur Fleisch. "Weil es einfach gut schmeckt", sagt er. Nicht, weil Ökolandwirtschaft die Umwelt schont. Schanko will Genuss. Und genau das ist es, worauf sich dieses Biogeschäft im Berliner Villenviertel Lichterfelde-West konzentriert.
Inhaber Frank Lüske bietet eine so große Auswahl gerade an hochpreisigen Produkten wie kaum ein anderer Biomarkt, von konventionellen Händlern mit Ökoecke ganz zu schweigen. All das präsentiert er auf 500 Quadratmetern in einem ehemaligen Kino - hinter der Fleischtheke ist noch der Platz für die Leinwand zu sehen. Und er bemüht sich bei Kochkursen und anderen Veranstaltungen auf der früheren Zuschauerempore, seinen Gästen kulinarische Höhenflüge und einen schönen Abend zu vermitteln. Einer der Teilnehmer ist Schanko.
Der stößt gerade mit den anderen Gästen des Kochabends mit einem Glas Sekt Pinot Pix an. Über eine Treppe gelangen sie dann in das Kochstudio: Vor einer Kühlschrankwand stehen zwei Inseln mit blitzblanken Elektroherden, in funkelnden Edelstahlschüsseln wartet frischer Kopfsalat. Wie in jedem Kochkurs gibt es eine Köchin, die die Gäste anleitet. Aber wo warten schon wie bei Biolüske drei Kellnerinnen darauf, nach jedem Wein die benutzten Gläser gegen frisch polierte auszutauschen? Entsprechend ist der Preis: Rund 100 Euro lassen sich die Teilnehmer solche Abende kosten.
Auch der eigentliche Laden ist exklusiv. 150 Weinsorten habe er auf Lager, erzählt Lüske bei einem Rundgang. Keiner kostet weniger als 5 Euro. Im Regal mit Olivenöl gibt es Angebote für unter 10 Euro pro Liter, aber Lüske holt eine Flasche für 16 Euro das Stück herunter, für die halbe Menge Öl. "Davon verkaufen wir recht viel." Besonders stolz ist er auf das Fleischangebot: Wild, Büffel, sogar Münchner Weißwürste bietet er hier - mitten in Preußen - an.
"Das lockt Kunden, die nicht unbedingt kommen, weil alles biozertifiziert ist, sondern weil sie einfach gutes Essen wollen", erklärt Lüske. Diese hätten vor fünf Jahren wohl nie einen Bioladen betreten. Tatsächlich stehen zwischen den Regalen zum Beispiel gebräunte Business-Frauen im teuer aussehenden Hosenanzug. Menschen, die ihren Konsum vielleicht nicht einschränken würden, um etwa die Pestizidbelastung der Natur zu reduzieren. Lüske hat es geschafft, sie für Bio zu ködern, indem er ihnen das Gefühl von Genuss und Lifestyle gibt.
Dieses Konzept funktioniert. Lüske verzeichnet seit der Gründung vor vier Jahren ein Umsatzwachstum über dem Branchendurchschnitt. Und darauf ruht er sich nicht aus. Die Veranstaltungen trügen derzeit 15 Prozent des Umsatzes bei, sagt der Geschäftsführer. Das will er nun steigern - mit Hilfe einer typischen Biolüske-Idee: Business Cooking. Dazu laden beispielsweise Rechtsanwälte ihre 40 besten Mandanten ein und kochen mit ihnen unter Anleitung gemeinsam. "Zu Weihnachten", prophezeit Lüske, "werden wir ausgebucht sein."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“