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Liese, Lotte und risikolose Eier

Bio-Hoffest im Hamburger Westen: Sehen, wie die Hühner leben, schafft das Vertrauen, das der ökologische Landbau nach Nitrofen dringend braucht. Und so erklären die Timmermanns immer wieder die Unterschiede zwischen Bio und Bio

von SANDRA WILSDORF

Einmal im Jahr laden Agnes und Heinz-Wilhelm Timmermann zum Fest auf ihren Biolandhof nach Sülldorf im Westen Hamburgs. Dann hat der Hofladen länger als sonst auf, Kinder können von Strohballen springen, die Schweine Liese und Lotte streicheln, Ponys reiten, Gokarts oder Kutsche fahren. Es gibt Würstchen, Suppe, Kaffee und Kuchen und alles ökologisch. Weinhändler Pinot Gris schenkt ökologische Weine aus, es gibt Keramik, Honig, Gewebtes und der NABU informiert. Alle paar Stunden lädt Heinz-Wilhelm Timmermann zur Treckerfahrt, und Agnes Timmermann erklärt, was ihren Hof zu einem Bioland-Betrieb macht.

In diesem Jahr war das Fest mehr als ein bunter Tag bei schönem Wetter. In diesem Jahr war er auch eine dringend erforderliche vertrauensbildenden Maßnahme. Vor eineinhalb Jahren strömten die Kunden auf der Flucht vor BSE-verseuchtem Fleisch in Scharen auf den Biolandhof – nun müssen die Biobetriebe darum kämpfen, das in sie gesetze Vertrauen nicht zu verlieren. Zwar hat keiner der sechs Hamburger Öko-Betriebe nitrofenverseuchte Futtermittel gekauft, doch das muss erklärt werden. Und so teilt Agnes Timmermann den Kunden ihres Hofladens auf einer Tafel mit: „Nitrofen – wir sind nicht betroffen. Weder unser Hühnerfutter noch unser Geflügelfleisch. Nähere Infos im Laden.“

Und dort erfährt man dann im Gespräch von Bio 1. Klasse und Bio 2. Klasse. „Betroffen sind die Bioprodukte im konventionellen Einzelhandel“, sagt Agnes Timmermann. Karstadt, REWE, Edeka, Tengelmann. Betriebe, die diese Ketten beliefern, hätten 5000 und mehr Hühner. „Das hat doch mit unserem Verbands-Bio nichts zu tun, das sind viel kleinteiligere Strukturen.“ Hier, bei Bioland und Demeter, kenne jeder jeden, da würde viel leichter herauskommen, wenn jemand Futter verseuchte.

Diese Unterschiede muss Agnes Timmermann, deren Betrieb seit 1992 als Biolandhof zertifiziert ist, zurzeit häufig erklären, „nicht so sehr bei den Stammkunden, die fragen eher rhetorisch. Aber bei den Neukunden muss ich ausholen.“ Und einige bleiben ganz weg: „Wir spüren einen leichten Umsatzrückgang, und an den Wochenenden musste ich sonst 500 Eier zukaufen, momentan nicht“. Denn am Ende gibt es zwar geringere Wahrscheinlichkeiten, aber keine Garantien.

Die Kunden reagieren unterschiedlich auf Nitrofen: „Das Fest hier ist gut, da kann man sehen, wie die Tiere leben, das schafft Vertrauen. Im Supermarkt kaufe ich momentan keine Bio-Produkte“, sagt eine Frau. Viele Verbraucher sind verunsichert: „Da habe ich extra immer Bio-Eier gekauft und habe mir damit das Gegenteil von dem eingehandelt, was ich wollte“, sagt eine Mutter von zwei Kindern, die momentan ganz auf Biowaren verzichtet, egal ob aus dem Supermarkt oder vom Hof.

Eine andere regt sich über die Behörden auf, die viel zu lange geschwiegen hätten: „Ausbaden müssen es jetzt wieder die Bauern“, sagt sie. Aber die meisten, die an die ökologische Landwirtschaft glauben, tun das auch weiterhin: „Ich vertraue den Produkten einfach“, sagt eine Besucherin. Resignativ ist da eher eine andere: „Dann kann man ja gar nichts mehr essen.“

Am besten aber ist wohl Gottvertrauen: „Jesus hat unser Essen gesegnet“, glaubt eine Frau. Und deshalb könne es uns auch nicht schaden.

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