Liebeserklärung: Julian Assange
Der Wikileaks-Gründer suggeriert, die Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland sei Teil einer US-Strategie zur Entvölkerung Syriens
Wir bei Wikileaks, hast du, lieber Julian Assange, diese Woche erklärt, haben eine „interessante Spekulation“: nämlich die, dass die deutsche Bereitschaft, aus Syrien fliehende Menschen aufzunehmen, ein Plan zur „strategischen Entvölkerung“ des Landes sei, um die Regierung von Baschar al-Assad zu stürzen. Da fliehe die Mittelschicht, sagst du, also die, die eine Regierung brauche. Und weil Deutschland sie aufnehme und weil die USA, wie die von Wikileaks veröffentlichten Depeschen zeigten, schon seit 2006 versuchten, Syrien zu destabilisieren, deshalb also ist das alles ein Plan. Es ist toll, wie du eins und eins zusammenzählst!
Das hast du einem griechischen Reporter erzählt, der dich in der ecuadorianischen Botschaft besucht hat. Und weil die Mainstreammedien alle korrupt seien – nein, du hast das Wort „Lügenpresse“ nicht benutzt –, habe über diese „interessante Spekulation“ niemand berichtet. Na ja, fast niemand. Das Kreml-finanzierte RT hat deine Worte begierig aufgenommen und sogar noch mehr daraus gemacht: „Assange: Wikileaks vorliegende Depeschen zeigen Plan zur strategischen Entvölkerung von Syrien und EU-Flüchtlingskrise“. Nein, das hast du nicht gesagt. Aber so berichten die Kreml-Medien das in allen Sprachen. Jetzt wirst du benutzt als Kronzeuge für das, was Moskau seit Monaten behauptet. Und irgendwie hast du zur Richtigstellung keine Zeit gefunden.
Aber weißt du, wir haben da ein Problem. Was Moskau und du da sagen, mögen bei uns auch Pegida, AfD und NPD. Sie wollen nichts von Assads Fassbomben auf Zivilisten hören und von der Genfer Flüchtlingskonvention. Sie mögen vor allem zwei Dinge nicht: Ausländer und die USA. Letztere verfolgen dich, deshalb bist du für die glaubwürdig, und daher eine Bitte: Könntest du ganz schnell mal ein paar Sachen klarstellen, so öffentlich? Das wäre lieb. Bernd Pickert
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