Liebeserklärung: Athener Börse
Der griechische Leitindex bricht nach der Zwangspause ein.Wie wohltuend, dass nun auch die Aktionäre bluten müssen
Da hast du manchen einen schönen Schrecken eingejagt, liebe Börse in Athen. Als am Montag dein Leitindex ASE nach fünf Wochen Zwangspause um fast 25 Prozent einbrach und alle 60 dort notierten Papiere tief im Minus standen – da fühlte sich glatt der eine oder die andere an den Schwarzen Freitag von 1929 erinnert. Wie ungerecht. Als könnte dein Crash eine Weltwirtschaftskrise auslösen! Mittlerweile weiß doch wirklich jeder und jede, dass dem Rest der Welt das griechische Drama total egal ist.
Der Kurssturz war nicht mehr als eine, wenn auch etwas drastische, Lagebeschreibung. Darin bist du einfach besser als dein arroganter großer Bruder in Frankfurt. Der Deutsche Aktienindex kann nur eines: steigen, steigen, steigen – völlig unabhängig von den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Wollen wir nur hoffen, dass der DAX genauso tapfer ist wie du, wenn in nicht mehr allzu ferner Zukunft der Tag der Wahrheit kommt und die Blase platzt.
Einige Milliarden sollen AnlegerInnen durch den Kurssturz in Athen bereits verloren haben. Aber bloß keine Schuldgefühle! Wenn griechische RentnerInnen kein Geld mehr für ihre Medikamente haben, ist es nur recht und billig, wenn jetzt auch die AktionärInnen bluten. Und außerdem: Zumindest die cleveren AnlegerInnen werden sowieso die Ersten sein, die von den neuen Hilfsprogrammen profitieren.
Vor allem den Banktiteln ging es an den Kragen. Sie stürzten so tief, dass der Handel mehrfach ausgesetzt wurde. Dabei sollen viele Milliarden in die Banken fließen, wenn das neue Hilfspaket steht. Clevere AnlegerInnen haben sich deshalb antizyklisch schon einmal vorsorglich kräftig mit Bankaktien eingedeckt.
Die Kurse haben sich mittlerweile etwas erholt, der Index für Bankpapiere kletterte um 16 Prozent. Sieht so aus, als hättest du die Sache gut im Griff. Anja Krüger
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