: Lieber Gott mit Bauch
Der indische Yoga-Guru B.K.S. Iyengar gab eine Audienz in Berlin und seine Lebensphilosophie weiter ■ Von Jens Rübsam
So muß ein Gott wohl aussehen. Schlohweißes Haar, leicht gewellt und nach hinten zurückgekämmt. Graue buschige Augenbrauen, darunter große hervorstechende Augen. Die Haut sonnengebrannt und straff wie Leder, am Finger ein goldener Ring, an den Füßen nichts weiter. Den Körper gehüllt in ein weißes Gewand, den Hals umschlungen von einem langen Schal, auf der Brust ein Strickband.
Eine Gott-Erscheinung ist dieser B.K.S. Iyengar. Ein altehrwürdiger Mann, noch 77, der sein Image als Yoga-Gott zu pflegen und seine Audienzen zu inszenieren weiß. Seine Schritte sind gemächlich, die Hände zusammengefaltet, der Kopf wohlwollend wippend, das Lachen triumphierend, der Blick ins Unendliche abschweifend. Die Gläubigen sind friedhofsstill, wenn er zu ihnen spricht, sind fixiert auf den Meister und für ein paar Stunden in einer anderen Welt. Für einmal war das „Haus der Kulturen der Welt“ der Himmel auf Erden. B.K.S. Iyengar, der Yoga-Guru aus Poona/Indien, war am vergangenen Donnerstag in Berlin.
B.K.S. Iyengar. Seit 60 Jahren hat er sich dem Yoga verschrieben, heute gilt er als der Yoga-Guru schlechthin. Wie es angefangen hat, ist in der „Yoga-Post“ nachzulesen. „Mit dem Yoga begann er mit 16 Jahren in sehr schlechter gesundheitlicher Verfassung bei seinem Schwager im Süden Indiens.“ Zwei Jahre später wurde er Lehrer, entwickelte eigene Gedanken bezüglich „einer effektiven methodischen und pädagogischen Fortentwicklung in der Deutung und Vermittlung von Körperstellungen und Atemtechniken“. Nach seinem Lehrwerk „Licht auf Yoga“ wird inzwischen in aller Welt unterrichtet. Sein Motto: „Yoga ist Philosophie, Wissenschaft, Kunst und Therapie in einem.“
Für einmal ist Yoga eine große Show. Auf der Bühne liegen kleine blaue Matten, rutschfest. 16 Yogis sitzen auf dem Boden, im Hintergrund läuft leise Musik. Iyengar, „der Großvater unter euch“, legt das Gewand ab, er hat sich noch einmal zu einem öffentlichen Auftritt überreden lassen. Eigentlich, sagt er, habe er vor fünf Jahren damit Schluß gemacht, des Alters wegen. „Es ist jetzt an der Jugend, meine Methode weiterzugeben.“
Seine Methode: Ein Zusammenspiel von Kraft, Ausdauer und korrekter Körperausrichtung mit Flexibilität, Balance und Entspannung. Entspannung durch eine sinnvoll aufgebaute Folge von Körperstellungen, die zwar kraftvoll sein, aber gleichzeitig die Möglichkeit geben soll, innerlich still und gelassen zu werden. Mit Hilfe von Gurten, Klötzen, Stühlen und Matten wird die Yogapose dem jeweiligen Körper angepaßt, um eine maximale Dehnung, Öffnung und Genauigkeit zu erreichen. Das Ziel: Schwache und steife Bereiche des Körpers zu stärken, die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen und die Widerstandskraft gegen Krankheiten zu erhöhen. Alles in allem: Die Einheit zwischen Körper, Geist und Seele herzustellen.
Für einmal ist der „liebe Gott“ fast nackt. Zum Vorschein kommen seine samtweiche Haut, die rasierten Achseln, zwei plätzchengroße Brustwarzen, zwei dünne, ja fast stelzenartige Beinchen und ein ästhetisch dicker Bauch. Keiner, der sich schwabblig in Streifen zerlegt, sondern einer, der einem festen Medizinball gleicht. Was an ihm bleibt: das blaue kurze Trainingshöschen, das Halsband und der goldene Fingerring.
Einmal noch fährt Iyengar vor der Show zärtlich seine Rundung ab und sagt: „Ich sehe am Leben jetzt viel mehr den philosophischen Aspekt.“ Dann zeigt er, was ein 77jähriger Yoga-Guru nicht verlernt hat. Die Hundestellung mit Kopf nach oben; einen Kopfstand, zuerst mit ausgestreckten, dann mit angewinkelten Beinen. Dann, die Beine im Schneidersitz verkantet, dreht er seinen Rumpf, erst nach rechts, dann nach links, dann wild hin und her – alles noch immer in der Kopfstandpose. Es folgen Brücken in den verschiedensten Varianten, zum Schluß der Vorstellung ein Spagat und natürlich der stürmische Applaus der Gemeinde. Seine Botschaft: Yoga bringe Frieden in Geist und Seele; helfe, Krankheiten und Kümmernisse zu besiegen; sei der Weg in die Freiheit; schaffe Harmonie und Ausgeglichenheit. An die Adresse seiner Senioren: „Sie müssen sich nicht fürchten. Mit Yoga ist es möglich, majestetisch, nobel und gesund zu sterben.“
Für einmal war B.K.S. Iyengar in Berlin. Georgie Grütter, Yoga- Lehrerin, kommt ins Schwärmen: „Seine Verbindung von Power und Humor, einfach toll.“ Daß er sein Wissen und Können weitergebe, sei „einfach nur toll“.
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