: Liebe, Traumfrau, Bogart
■ Die Komödie „Spiel's nochmal Sam“ ganz mühelos im Waldau-Theater
Und dann kommt auch die Kostümbildnerin auf die Bühne. Die Haare hochtoupiert, eine Lederjacke kürzer als taillenkurz, ein enger schwarzer Rock knöchellang, Plateausohlen tippelt sie dem Applaus entgegen. Tippelt ab. Tippelt auf. Und endlich stolpert sie. Der halbe Saal brüllt vor Lachen. So hat das Premierenpublikum im Waldau-Theater seine Zugabe bekommen. „Spiel's nochmal Sam“. Alles auf Anfang.
Vor Zeiten war das Waldau-Theater so arg heruntergewirtschaftet, daß Ex-Kultursenatorin Helga Trüpel dem Haus nur noch eine Schließungsbeihilfe überweisen wollte. Man schmückte sich zwar noch mit mit hohen Zuschauerzahlen – doch die kamen allein wegen der alljährlichen Weihnachtsmärchen zustande. Ansonsten hagelte es Verrisse und Abo-Kündigungen. Doch im Sommer 1994 übernahm der ehemalige Schauspielhaus-Angestellte Michael Derda die Geschicke und Geschäfte des Theaters. Anspruchsvolles Theater würde auch er gerne machen wollen, erzählte Derda fortan gern. Daß er dem Publikum Produkte anbieten müsse, die sie auch kaufen, erzählte er aber noch gerner. Also etablierte Derda neben dem niederdeutschen Theater und dem Weihnachtsmärchen noch den dritten Schwerpunkt „gutgemachte Unterhaltung“ alias Boulevard und inszenierte bisweilen selbst. So wie jetzt Woody Allens Stück zum Film „Spiel's nochmal Sam“. Vorhang auf.
Das Loft in Manhatten. Der Neurotiker und Hypochonder mit dem Faible für karierte Hemden und braunen Cord. Die roten, halblangen Haare. Die schwarzrandige Brille des Kurzsichtigen. Die Bo-gart-Filmplakate und „Casablanca“-Zitate. Die Thelonius-Monk- und Bartok-Platten, die Bücher: Das Kostüm- und Bühnenbildner-Duo Marlene Kranz und Roland Wehner hat sich alle Mühe gegeben, das Woody-Allen-Setting für die Waller Guckkastenbühne nachzuempfinden und die Ausstattung der zwei Jahrzehnte alten Vorlage zugleich behutsam zu modernisieren. Doch sonderbar: Die meisten im Saal sehen das alles zum ersten Mal.
Und so lernen sie auch Allen Felix, den in Scheidung lebenden Filmkritiker und tolpatschigen Aushilfscasanova, erst kennen. Der auf die Packhaus-Sommerkomödien abonnierte Hauptdarsteller Stefan Schneider versucht sich darin, Woody Allen zu spielen, der Allen Felix spielt. Doch das Theater ist zu groß für die introvertiert-geschwätzige Fahrigkeit des Vorbildes. Schneiders Allen muß laut – muß viel zu laut sein. Statt Schwätzchen kommen ihm Pointen über die Lippen, statt neurotischer Blüten serviert er Gags. So scheitert der Versuch und unterscheidet sich Stefan Schneiders Allen/Allen nicht von den Boulevard-Figuren aus den Komödien zwischen „Traumfrau verzweifelt gesucht“ und „Liebe, Sex und Therapie“. Doch was soll's, wenn's gefällt. Da heißt es „Ich war schon aus der Übung, als ich noch in Übung war“, und das Publikum lacht; da sagt er: „ins Bett? Ich bin froh, wenn ich sie auf einen Stuhl kriege!“, und das Publikum bricht los; da reagiert der Protagonist auf die gezogene Pistole mit „Drück nicht ab, ich bin Bluter“, und der Saal brüllt über die Witze aus dem Stück.
Daß Michael Derda mit Woody Allens Vorlage und Martina Rüggebrecht, Heidi Jürgens und Joshi Peters in den weiteren Rollen auf solch ein sicheres Pferd setzt, war nicht zu ahnen. Allein er muß es gewußt haben. Denn bis auf eine furiose, mit Gespür für Slapstick und Timing inszenierte Rendezvous-Szene ist in dieser Einstudierung nichts zu entdecken, was über Handwerk hinausgeht. Und Zugaben sind auch im Waldau-Theater nur dem Premieren-Publikum vorbehalten. Christoph Köster
Weitere Aufführungen am 14.1. um 20 Uhr, am 18.1. um 19 Uhr und am 19.1. um 15.30 Uhr
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