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LichtenbergAuf dem rechtem Auge blind

Linke-Abgeordneter Giyasettin Sayan wirft Lichtenberger Polizei vor bei Rechten Straftaten nicht nach politischer Motivation zu suchen. Opferanwältin: Beamte sind überfordert und nicht sensibilisiert.

Nervige Mode in Lichtenberger Nachbarschaft Bild: reuters

Nach dem erneuten Überfall auf einen türkischen Imbissbesitzer erhebt der Linke Abgeordnete Giyasettin Sayan schwere Vorwürfe gegen die Polizei. "Einigen Beamten in der Polizeistelle Lichtenberg fehlt das Rechtsbewusstsein gegenüber den Rechtsradikalen", sagte Sayan der taz. Laut Sayan sollen Angriffe von Rechtsradikalen aus der Kneipe "Kiste" in der Vergangenheit öfter als Konkurrenzkampf oder als einfache, nicht rechtsextreme Delikte protokolliert worden sein. Es sei nicht nach "primär politischen Motiven" gesucht worden, so der Politiker.

Aufgrund mehrmaliger Übergriffe und Bedrohungen durch mutmaßliche Rechtsextreme hatte der Dönerbudenbesitzer Resit Özer vergangene Woche seinen Laden in der Weitlingstraße aufgegeben. Seit Jahren ist der Weitlingkiez als Treffpunkt für Neonazis bekannt.

Sayan, der nach eigenen Aussagen selbst Opfer eines Überfalls im Mai 2006 wurde, war bei den nächtlichen Vernehmungen Özers anwesend. Er kritisiert, dass dabei die Motivation der Täter nicht hervorgehoben wurde.

Gewalt im Kiez

Traurige Bilanz: Die Opferberatungsstelle ReachOut hat die Übergriffe mit rechtsextremem Hintergrund in Lichtenberg aufgelistet. Seit Herbst 2006 kam es jeden Monat zu mindestens einem Angriff. Bereits in diesem Jahr schlugen Neonazis im Kiez siebenmal zu. Der Dönerbudenbesitzer Resit Özer wurde seit September vergangenen Jahres viermal bedroht.

1. Januar 2007: In der Silvesternacht wird eine Gruppe von alternativen Jugendlichen von zwei Neonazis in der Treskowallee Ecke Ehrlichstraße angegriffen und geschlagen.

21. Januar 2007: Ein 18-Jähriger wird an einer Straßenbahnhaltestelle in der Treskowallee von einer Gruppe rechter Jugendlicher als "Zecke" beschimpft und mit Tritten und Schlägen angegriffen.

24. Februar 2007: Ein 45-jähriger Wirt wird in der Skandinavischen Straße von sieben Männern bedroht und angegriffen.

3. März 2007: Zwei italienische Touristen werden am Tierpark von sechs bis acht Männern fremdenfeindlich angepöbelt und geschlagen.

4. März 2007: Ein Taxifahrer wird von vier Fahrgästen - darunter ein 45-jähriger Lichtenberger Polizeibeamter - in einem Streit über die Fahrstrecke rassistisch beschimpft, unter anderem als "Scheißtürke".

7. März 2007: Resit Özer und seine Gäste werden von drei Männern und einer Frau rassistisch beleidigt.

20. Juli 2007: Eine vietnamesischstämmige 19-Jährige wird in Özers Dönerbude bedroht, ein ukrainischer Fahrradfahrer vom gleichen Täter angegriffen. Özer entscheidet sich, seinen Laden zu schließen.

Diese Vorwürfe weist Polizeipressesprecher Bernhard Schodrowski zurück. "Wir machen unsere Ermittlungen in jedem Fall gründlich und sachgerecht." Ob in Özers Fall nur wegen Körperverletzung ermittelt wird oder auch nach einem politischen Hintergrund geforscht wird, konnte der zuständige Staatsanwalt Michael Grunwald nicht mitteilen.

Die Anwältin Özers, Birgit Stenzel, beschreibt die Lichtenberger Beamten als überfordert und nicht ausreichend für die Thematik sensibilisiert. Es sei ein generelles Problem bei der Polizei, dass "viel eher nur kriminalistische Delikte" statt rechtsextremer Straftaten ermittelt werden. Offiziell laufen die Ermittlungsverfahren für die Übergriffe aus dem Herbst 2006 noch immer. "Als Opferverteidiger ist es besonders schwer bei der Lichtenberger Polizei Informationen aus den Akten zu bekommen".

"Die Differenz zwischen den Darstellungen der Opfer und den Polizeiberichten ist erheblich", wundert sich auch Helga Seyb, die bei der Opferberatungsstelle ReachOut eine Chronik der rechtsextremen und rassistischen Überfälle führt. Gerade bei Beleidigungen von Migranten komme es oft zu Verharmlosungen oder gar nicht erst zur Anzeige. So habe die Lichtenberger Polizei im vergangenen Jahr kein Interesse gezeigt, als ein aus Mosambik stammender Mann, der in der Weitlingstraße lebt und durch anonyme Drohbriefe mit rassistischem Hintergrund terrorisiert wurde, um Hilfe bat. Erst nachdem sich der Mann an die Beratungsstelle wandte, sei zumindest eine Beweisaufnahme durchgeführt worden.

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