Liberalisierung des Welthandels: EU und USA tricksen bei der WTO
Die Industriestaaten versprechen China und Indien, die Agrarzölle zu senken. Doch bei deren Diplomaten bestehen die Angebote "noch nicht mal den Lachtest".
Seit Montag beraten die Delegierten der 40 Mitgliedsstaaten der Welthandelorganisation (WTO), wie der Welthandel liberalisiert wird. Es ist der letzte Versuch, die sogenannte Doha-Runde zu retten, die schon seit 2001 läuft. Doch bis Mittwoch gab es keine substanzielle Annäherung. Leicht verbesserte Angebote der USA und der EU bei den zentralen Streitthemen Agrarsubventionen und -zölle bewertete die von China, Indien, Brasilien und Südafrika koordinierte Gruppe der 20 wirtschaftsstärksten Schwellen- und Entwicklungsländer (G 20) als völlig unzureichend.
Die Handelsbeauftragte der US-Administration, Susan Schwab, hatte am Dienstag angeboten, die Obergrenze für die Zahlung von Argarsubventionen an US-Farmer zu senken - statt der bislang offerierten 16,4 Milliarden US-Dollar jährlich sollten es 15 Milliarden sein. Bedingung: Die G 20 öffnen ihre Märkte stärker als bisher für Industrieprodukte aus dem Norden.
Die im US-Landwirtschaftsgesetz (Farm Bill) gesetzlich festgelegte Obergrenze für Agrarsubventionen liegt derzeit bei 48,2 Milliarden pro Jahr. Tatsächlich zahlte die Regierung in Washington im letzten Jahr zwar nur 7 Milliarden US-Dollar an die Farmer aus. Das Gesetz aber ist vom US-Kongress auch in den letzten Monaten zweimal mit mehr als Zweidrittelmehrheit bekräftigt worden. Daher kritisieren Globalisierungskritiker von Attac, die US-Administration spiele in Genf "ohne Mandat" und "mit gezinkten Karten".
Die Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas fordern bereits seit Jahren den vollständigen Abbau der vor allem in den USA, EU, Kanada und Japan gezahlten Agrarsubventionen. Brasilien und andere Staaten der G 20 wiesen das neue Angebot Washingtons daher als völlig unzureichend zurück. "Das Angebot besteht noch nicht einmal den Lachtest", erklärte ein indischer Handelsdiplomat.
Auf ähnlich kritische Reaktionen stieß der Versuch der EU, ihr bisheriges Angebot zur Senkung der Einfuhrzölle für Agrarprodukte aus den Ländern des Südens kosmetisch zu verbessern. Obwohl im schriftlich fixierten Angebot der EU von einer Zollsenkung um 54 Prozent im Durchschnitt aller importierten Agrarprodukte die Rede ist, sprach Handelskommissar Peter Mandelson in seiner Eröffnungsrede am Montag von 60 Prozent. Auf Nachfragen bei Handelsdiplomaten Deutschlands und anderer EU-Staaten hieß es, das "offizielle Angebot" der 60 liege "weiterhin bei 54 Prozent". Auf die 60 Prozent könne man "durch eine andere Berechnungsweise kommen". Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte bereits die Zollsenkung von 54 Prozent als "viel zu hoch" abgelehnt, weil in der EU dann die Agrarproduktion um ein Fünftel sinke, der landwirtschaftliche Export um 10 Prozent schrumpfe und 100.000 Arbeitsplätze verlorengingen. Das Angebot der EU gilt in jedem Fall nur unter der Bedingung einer erheblich verstärkten Marktöffnung für Industrieprodukte in den Ländern des Südens.
Die EU will unter anderem auf Betreiben Deutschlands eine sogenannte "Antikonzentrationsklausel" durchsetzen, wonach niedrigere Zölle für die Einfuhr von Industriegütern in den Ländern des Südens künftig ohne Ausnahmen gelten müssen - und nicht ganze Produktlinien wie zum Beispiel Autos ausgenommen werden dürfen. Diese Forderung zielt auf Praktiken etwa in China, Indien, Brasilien.
Am heutigen Donnerstag wollen die 40 Teilnehmerstaaten der Genfer Verhandlungen erste Angebote für weitere Liberalisierungen im Dienstleistungsbereich vorlegen.
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