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Leverkusen unterliegt dem FC BayernHektik verliert gegen Ruhe

Bayer Leverkusen ist auch im Rückspiel gegen den FC Bayern chancenlos. Es fehlt an Substanz im Kader. Die Münchner freuen sich auf Inter Mailand.

Trainer und Seelsorger Xabi Alonso kümmert sich um den enttäuschten Jonathan Tah Foto: Wolfgang Rattay/reuters

Vincent Kompany lag schon richtig, als er die Aufmerksamkeit nach dieser beeindruckenden Demonstration der Stärke des FC Bayern München weg von seiner Person auf die Spieler lenken wollte. Die mit 2:0 in Leverkusen gewonnene Partie, die auf ein glasklares 3:0 im Hinspiel gefolgt war, wurde „auf dem Platz entschieden und nicht an der Linie“, sagte der Münchner Trainer.

Und tatsächlich war Harry Kane in beiden Partien brillant, das Kollektiv verteidigte fast fehlerlos, „seriös“ habe der Rekordmeister gespielt, sagte Leverkusens Trainer Xabi Alonso. Das war genug für diesen Erfolg, der auch wichtig war, um die nationalen Machtverhältnisse zu klären. Aber eine Trainerdimension hatte dieses Spiel schon auch, und da war dann eben doch Kompany der große Sieger.

Der frühere Weltklasseverteidiger hat ein besseres Timing gefunden, jetzt, wo es darauf ankommt, sind die Bayern voll da, während Bayer 04 „in den letzten zehn Tagen von einem kleinen Formtief erwischt“ worden ist, wie Lukas Hradecky, der Torhüter der Werkself, einräumte. Vor allen Dingen aber hat dieser ebenso lässige wie klar denkende Kompany mit erstaunlicher Schärfe die Unterschiede zwischen dem FC Bayern München und Bayer Leverkusen sichtbar gemacht.

Während der Doublegewinner des Vorjahres tatsächlich vor allen Dingen eine Trainermannschaft ist, die passende Einfälle Alonsos benötigt, ist der FC Bayern ein Team der Spieler. Kompanys Fußball ist nicht von immer neuen Innovationen geprägt, er bereitet seine Mannschaft auf Gegner vor, versucht den Spielern mit seinen Impulsen zu helfen, glaubt aber nicht, der entscheidende Faktor zu sein. Alonso hingegen hatte sich für dieses Rückspiel abermals etwas Neues einfallen lassen: eine Art Reanimation des Roger-Schmidt-Fußballs, der vor zehn Jahren einmal in Leverkusen gespielt worden ist.

Bewusste Ungeduld

„Wir wollten ein bisschen direkter sein. Nicht mit so viel Geduld spielen“, sagte Alonso, „wir wollten fast keine Kontrolle, wir wollten Hektik.“ Mit diesem Stil, der Zufälle provoziert und der bestenfalls ein Stadion emotionalisiert, weil es viele mitreißende Zweikämpfe gibt, hat die gegenwärtige Leverkusener Mannschaft jedoch kaum Erfahrungen. Die Bayern hatten wenig Mühe, die Lage zu kontrollieren. Kein Münchner ließ sich durch chaotische Momente zu Fehlern verleiten, sogar der junge Torhüter Jonas Urbig strahlte Ruhe und Selbstvertrauen aus.

Während Leverkusen vor allen Dingen eine Trainermannschaft ist, ist der FC Bayern ein Team der Spieler

Der vielleicht größte Unterschied zwischen Bayer Leverkusen und Bayern München in diesem März besteht darin, dass die Rheinländer nicht genug Substanz im Kader haben, um sich auf die Spieler und ihre fußballerische Stärke zu verlassen. Erst recht nicht, wenn Florian Wirtz verletzt fehlt. Das war im Hinspiel an den individuellen Fehlern erkennbar und im Rückspiel an der Wirkungslosigkeit von Leuten wie dem blassen Rechtsverteidiger Arthur, an dem auf diesem Niveau überforderten Stürmer Patrik Schick oder an Aleix Garcia, der Wirtz vertrat. „Natürlich war es so, dass Xabi Alonso und seine Truppe in den vergangenen 18 Monaten Herausragendes geleistet haben“, sagte der Münchner Sportdirektor Max Eberl, „aber jetzt sind wir wieder da.“

Aus Münchner Sicht ist also etwas geradegerückt worden, das Gefüge der Bundesliga ist repariert, auch wenn Vincent Kompany sagte: „Wir haben in den letzten Jahren keine Ruhe bekommen von Leverkusen. Ich glaube, das wird auch in Zukunft so bleiben. Mein Gefühl sagt, dass dieses Duell noch nicht vorbei ist.“

Selbstverständlich ist das jedoch keinesfalls. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, sangen die Leverkusener Fans unmittelbar nach dem Abpfiff, als würden sie sich nach dem Ausflug in die Phalanx des Weltklassefußballs, die von Leuten wie Alonso und Wirtz repräsentiert wird, wieder Gefilden zuwenden, in denen sie sich irgendwie heimischer fühlen. Noch ist unklar, ob sich Bayer Leverkusen dauerhaft als Meisterschaftsaspirant in der Bundesliga und Teilnehmer an der K.-o.-Phase der Champions League etablieren kann. Oder ob doch ein tieferer Sturz folgt, da ja absehbar ist, dass der Trainer und die besten Spieler – wenn nicht in diesem Jahr, dann im Sommer 2026 – weiterziehen werden.

Die Bayern hingegen haben sich genau im richtigen Moment gefunden. Nach Jamal Musiala wird sehr bald auch Joshua Kimmich seinen Vertrag verlängern. Kane blüht wieder auf, der Trainer passt, vielleicht wurde in Urbig sogar endlich der passende Nachfolger für Manuel Neuer gefunden. Und Inter Mailand ist ein aufregender Gegner für das anstehende Achtelfinale. „Jetzt sind alle Mannschaften auf Augenhöhe“, erklärte Eberl, womit er indirekt auch sagte: Der Gegner in diesem Achtelfinale zählte nicht zu den größten Herausforderungen, die auf dem Weg ins Finale bewältigt werden müssen.

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