Letztes Geleit: Mit der Wut zum Grab
Freunde begleiten am Montag Yusuf A. F., den Toten vom RAW-Gelände, zur letzten Ruhe. Die wird vom Ärger auch über Medienberichterstattung erschüttert, die den Getöteten zum Dealer erklärt.
Bashir Zakaria ist wütend. „Weil jemand schwarz ist, ist er kriminell, so einfach ist das also für die Medien“, tobt Zakaria am Montagmittag auf dem Oranienplatz.
Dort sammeln sich gerade Freunde von Yusuf A. F., um gemeinsam zu dessen Beerdigung zu fahren. F. war Ende Februar am RAW-Gelände erstochen worden. Am frühen Nachmittag soll er in Spandau, auf dem Landschaftsfriedhof Gatow, beigesetzt werden.
Aber erst mal wird Zakarias Trauer um den Freund von Wut überlagert. Denn wie vorher bereits in anderen Zeitungen stand am Montag auch in einem taz-Artikel, dass der Ermordete vom RAW-Gelände „einer der Dealer“ gewesen und wohl „Opfer eines Konflikts in dem Milieu“ geworden sei. Zakaria hat dies gerade von einer Freundin erfahren. „Es ist wirklich unerträglich, dass wir das an dem Tag lesen müssen, an dem Yusuf beerdigt wird“, tobt er. „Yusuf hatte mich noch angerufen, drei Tage bevor er gestorben ist“, erzählt Jamal Aliwu. Auch er ist ein Freund des Toten, den er aus der Zeit der Oranienplatz-Besetzung kennt. „Yusuf hat nach Arbeit gesucht, er hatte keine Wohnung und keinen Job. Ich war selbst gerade krank und konnte ihm in dem Moment nicht helfen“, sagt Aliwu. Yusuf sei friedlich und sehr freundlich gewesen. „Er hatte Probleme, weil er keine feste Aufenthaltsgenehmigung bekommen hat.“
Inzwischen sind etwa zwanzig Menschen zusammengekommen, Zakaria hat sich wieder etwas beruhigt. Eine Unterstützerin der Gruppe „Lampedusa Berlin“ verteilt eine Stellungnahme. Der Senat und Innensenator Frank Henkel (CDU) hätten die Möglichkeit gehabt, den Geflüchteten vom Oranienplatz einen Aufenthalt aus humanitären Gründen zu gewähren, heißt es darin. Stattdessen hätten sie Menschen in prekäre Lebensumstände gebracht.
„Wäre das Agreement des Senats nicht so unehrlich gewesen, hätte Yusuf nicht in dieser Nacht an diesem Ort sein müssen“, erklärt die Gruppe. „Yusuf wollte an dem Abend einen Schlüssel abholen, um einen Schlafplatz für die Nacht zu haben“, erzählt Taina Gärtner, Unterstützerin von Lampedusa Berlin. Freunde von Yusuf hätten ihr erzählt, dass er einen Streit beobachtet habe zwischen einem Nigerianer und einem Mann aus Guinea-Bissau. „Yusuf hat wohl versucht, den Streit zu schlichten“, sagt Gärtner, dabei sei der Mann auf ihn losgegangen. Sie sagt, dass Freunde von F. das beobachtet hätten. Sie selbst hat das von dessen Bruder erfahren, die Namen der Augenzeugen kenne sie nicht.
In Gatow kommen über 50 Personen zur Beerdigung zusammen. Auch Familienmitglieder aus den USA sind angereist, Vertreter der nigerianischen Botschaft sind dabei. Beim Totengebet nehmen Freunde und Familie Abschied, bevor der Leichnam ins Grab gelegt wird. Der Imam spricht Verse aus dem Koran dazu, am Ende wölbt sich ein kleiner Erdhügel über dem Grab. Eine der Unterstützerinnen legt einen Strauß weiße Lilien darauf.
Zakaria wendet sich an die Gruppe. „Wenn ihr noch Streit mit Yusuf hattet oder ihm grollt, dann ist jetzt der Moment, um ihm zu verzeihen“, sagt er. Dann könne ihr Bruder in Frieden ruhen.
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