Letztes Gefecht um die Rote Flora: „Das hat Geschmäckle“
Nachdem der SPD-Senat das seit 25 Jahren besetzte autonome Stadtteilzentrum zurückerworben hat, gehen Gläubiger gerichtlich gegen den Kauf vor.
HAMBURG taz | Treffender hätte der Coup kaum platziert sein können: Ausgerechnet am vergangenen Freitag – genau einen Tag vor dem Landesparteitag der SPD und passend zum 25-jährigen Besetzungsjubiläum des autonomen Stadtteilzentrums – besiegelte die Stadt die Übernahme der Rote Flora.
Die Lawaetz-Stiftung kaufte das ehemalige Varieté-Theater knapp fünf Monate vor den Bürgerschaftswahlen für 820.000 Euro zurück. Für Gert Baer, den Berater des insolventen Eventmanagers Klausmartin Kretschmer, hat der Vorgang ein „Geschmäckle“.
Baer, selbst einer der Gläubiger und zugleich Berater Kretschmers, will sich das nicht gefallen lassen. Zusammen mit zwei weiteren Gläubigern hat er deshalb einen Antrag gestellt, die Stimmrechte der Kreditgeber neu festzusetzen und den Beschluss der Gläubigerversammlung, die Rote Flora an die Stadt zu verkaufen, aufzuheben. Baer argumentiert, dass ein Großteil der Gläubiger den Verkauf an die Stadt abgelehnt hätte. Üblicherweise werden die Stimmrechte bei Insolvenzverfahren nach der Forderungshöhe gewichtet.
„Nur durch Trickserei“
Laut Baer haben aber bei der Gläubigerversammlung gerade die Gläubiger mit den höchsten Forderungen gegen den Verkauf an die Stadt gestimmt. „Nur durch eine Trickserei ist die Forderung des Finanzamtes höher eingestuft worden“, behauptet Baer. Der Insolvenzverwalter der Flora, Rechtsanwalt Nils Weiland, bezeichnet diesen Vorwurf als „Frechheit“.
„Wer wie viel Stimmrecht hat, darüber haben erfahrene Rechtspfleger entschieden“, sagt Weiland, der auch stellvertretender SPD-Landesvorsitzender ist, und unterstreicht: Es habe eine klare Mehrheit für den Verkauf an die Stadt gegeben. Das belege auch das Amtsgericht durch seine Abweisung der Anträge.
Diese Darstellung bestätigte Gerichtssprecherin Ruth Hütteroth. Nun bleibt dem Kretschmer-Berater nur noch eine Möglichkeit, gegen die Rekommunalisierung der Flora vorzugehen: Baer will vor dem Landgericht Beschwerde einreichen. Das Landgericht soll nun überprüfen, ob die Entscheidung gegen das Gesamtinteresse der Gläubiger verstößt.
Absolute Ausnahme
Insolvenzverwalter Weiland glaubt nicht, dass dadurch der Rückkauf der Flora noch einmal gekippt werden wird. „Ich bin da ganz entspannt“, sagt er. Man könne solche Beschlüsse zwar aufheben lassen, doch das sei die absolute Ausnahme.
Auch der Anwalt der Roten Flora, Andreas Beuth, schenkt Gert Baers Äußerungen wenig Glauben. Auch die damals von Baer als Kaufinteressent ins Feld geführte finanzkräftige US-Investmentfirma habe sich als Luftnummer erwiesen.
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