Lethargie beim insolventen Max Bahr: Es hat sich ausgebaut
Hamburger Baumarkt-Kette ist pleite. Bis zu 4.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Der Betrieb läuft weiter, doch nur sehr eingeschränkt. Es gibt keine neue Ware mehr.
Die Stimmung ist nicht gut in der Max-Bahr-Filiale in Altona. Einige Regale sind halb leer, es mangelt an Nachschub, weil kein Geld da ist, um nachzukaufen. Nur wenige Käufer verlieren sich in der Halle. „Man macht sich schon Sorgen“, sagt ein Beschäftigter, aber ob und wie es genau weitergehe, wisse hier niemand. Die Hamburger Baumarktkette Max Bahr ist insolvent, ebenso wie ihre Muttergesellschaft Praktiker, drei Insolvenzverwalter suchen nach Lösungen. „Wir haben zahlreiche Anfragen von Investoren“, berichtet Verwalter Christopher Seagon, erste Ergebnisse könnten zu September vorliegen. Ziel sei es, das Unternehmen als „lebensfähige Einheit“ zu übergeben.
Davon ist im Moment nicht viel zu spüren. Am Eingang der Altonaer Filiale weist ein großes Schild die Kundschaft darauf hin, was sie „aus insolvenzrechtlichen Gründen“ alles nicht mehr erwarten könne. Der Umtausch von Waren erfolge nur noch gegen neue Ware, Barauszahlung sei nicht mehr möglich. Defekte Ware werde nicht mehr zurückgenommen, Aufträge zu stornieren sei nicht mehr drin. Und Gutscheine, die vor dem 25. Juli ausgestellt wurden, würden nicht mehr eingelöst. Beschwerden und Forderungen seien bitte an die Insolvenzverwalter zu richten.
Zwei Wochen nach der Baumarktkette Praktiker hatte am vorigen Freitag auch die Hamburger Tochter Max Bahr Insolvenzanträge eingereicht. Nachdem ein Warenkreditversicherer sich aus dem Geschäft zurückgezogen hatte, war die Versorgung der Märkte wegen Liquiditätsproblemen nicht mehr gesichert, eine positive Prognose für die Fortführung des Unternehmens gebe es nicht. Die Märkte bleiben jedoch geöffnet und sollen ihren Geschäftsbetrieb stabilisieren.
Arbeitnehmervertreter befürchten den Verlust von bis zu 4.000 Jobs. „Wenn man nichts schönreden will, muss man von der Größenordnung 80 bis 100 Märkten reden, die sich im Moment ernsthaft Sorgen machen müssen“, sagte Max-Bahr-Gesamtbetriebsratschef Ulrich Kruse. „Das ist eine erschreckende Zahl und eine Menge Holz“, so Kruse. Es sei davon auszugehen, dass von 280 Praktiker- und Max-Bahr-Märkten nur etwa 180 eine Perspektive hätten. Auch die Zentrale in Hamburg müsse wohl bei einer Reduzierung der Märkte mit Einschnitten rechnen, wenn sie überhaupt bestehen bleibe „und der Verkauf nicht an jemanden geht, der schon eine Zentrale hat“, sagte Kruse.
Operativ hat Max Bahr seit Jahren nichts verdient. Im Bericht über das erste Quartal wird ein Umsatz von 204 Millionen Euro und ein Verlust von 37 Millionen Euro ausgewiesen. Es mehren sich die Anzeichen, dass nur die besten Märkte von Max Bahr und Praktiker eine Chance haben. „Man kann klar von einer Marktsättigung in Deutschland sprechen, dem Eldorado der Heimwerker“, sagt Manuel Jahn, vom Marktforschungsunternehmen GFK.
Johann Jacob Heinrich Bahr gründete 1879 in Bramfeld eine Stellmacherei für Wagenräder und Wagengestelle. Sein Sohn Max übernahm 1906 den elterlichen Betrieb und stieg 1927 in den Holz-Einzelhandel ein.
Baumärkte: Im Zuge des Do-it-yourself-Booms wurde 1963 der erste Max-Bahr-Baumarkt in Rissen eröffnet. Inzwischen sind es 78 vornehmlich in Nord- und Westdeutschland.
Bilanz: Der Umsatz 2011 lag bei 695 Millionen Euro, die Zahl der MitarbeiterInnen bei 3.700.
Praktiker: 2007 wurde Max Bahr von Praktiker übernommen, 57 Praktiker-Märkte wurden erst kürzlich in Max-Bahr-Märkte umgeflaggt.
Bilanz: Der Umsatz 2012 lag bei 3,0 Milliarden Euro, der Verlust bei 189 Millionen Euro.
Die Insolvenzverwalter sind verhalten optimistisch, die ursprünglichen 78 Max-Bahr-Märkte zu erhalten. Bislang lägen „mehr als zwei Hand voll, mehr als zehn“ Interessenbekundungen von Investoren vor, sagt Verwalter Seagon, aber noch keine Angebote. Konkurrenten wie Hornbach, Obi oder Bauhaus sollen darunter sein. Das Rosinenpicken beginnt.
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