Lesbische und schwule Gläubige: Gottes Segen vorenthalten?
Kirche und Homosexualität. Von "widerlichen Schreiben leitender Geistlicher" und einem ziemlich entsetzten Podiumsgast Klaus Wowereit auf dem Kirchentag in Dresden.
DRESDEN taz | "Wer sind wir, dass wir Gottes Segen vorenthalten?" Das war der Kern einer Diskussion, die auf dem Evangelischen Kirchentag in Dresden geführt worden. Der Titel der Veranstaltung im fast voll besetzten Festsaal des Kulturpalastes vor rund 500 Männern und Frauen: "... und das ist auch gut so! Bestandsaufnahme".
Es ging, klar, um den fragilen Fortschritt, den es im Verhältnis zwischen der evangelischen Kirche einerseits und lesbischen oder schwulen Gläubigen andererseits in den vergangenen Jahrzehnten gegeben hat. Und besonders war schon, dass, angeblich zum ersten Mal überhaupt, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, für diese Veranstaltung auf dem Kirchentag zugegen war. Wowereit also, der mit dem öffentlichen Bekunden seiner Homosexualität, gepaart mit dem leicht rotzig-trotzigen Spruch "... und das ist auch gut so!", gesellschaftspolitisch Geschichte geschrieben hat.
Wie wichtig dieser schlichte Satz war, zeigte schon das Klatschen über diese kleine Sentenz. Dass dieses "... und das ist auch gut so!" von einem Politiker stammt, der Mitglied einer Kirche ist, in der Homosexuelle noch viel krasser diskriminiert werden als in der evangelischen Kirche, das ist eine zusätzliche Pointe im facettenreichen Auf und Ab des Kampfes von schwulen und lesbischen Menschen um Gleichberechtigung und Respekt innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft. Und der Kampf ist noch nicht beendet, noch lange nicht.
VorkämpferInnen im Ruhestand
Dabei liegen schon einige Jahrzehnte des Ringens um die volle Anerkennung von Lesben und Schwulen innerhalb ihrer Kirche hinter ihnen, wie beim Blick in die Geschichte deutlich wurde, den sich die Veranstalter im Kulturpalast gönnten. So waren neben dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker die nordelbische Pröpstin Monika Schwinge und die Hamburgerische Bischöfin Maria Jepsen, alle mittlerweile im Ruhestand, geladen. Die drei waren auf ihre Art VorkämpferInnen der hartnäckigen Auseinandersetzung um die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der Kirche. Und alle drei waren dies, das muss man hier wohl erwähnen, als Heteros.
Wie hart diese innerkirchliche Kampf war, zeigte etwa eine kurze Bemerkung, die Maria Jepsen, die erste lutherische Bischöfin weltweit, über die vielen Hetzbriefe machte, die sie erhielt, als sie sich für gleiche Rechte auch für schwule und lesbische PastorInnen einsetzte. "Widerlich" seien diese Schreiben gewesen, erzählte sie, selbst die von "leitenden Geistlichen", also vom Führungspersonal in der Evangelischen Kirche. Der Hass auf diese engagierte Geistliche ging so weit, dass sie wegen ihres Einsatzes für Homosexuelle sogar Morddrohungen erhielt.
Alles sehr lange her, alles schon lange vorbei? Den eindrucksvollen Berichten von drei homosexuellen Gläubigen auf der Bühne zufolge bestehen die Diskriminierungen auch in der Kirche fort – wenn auch in weit geringerem Maße als noch vor Jahren oder Jahrzehnten. Die Kirchenmusikdirektorin Beate Besser, der Theologeprofessor Traugott Roser und Markus Müller vom Bundesvorstand der Vereinigung "Homosexuelle und Kirche", betonten in ihren Erzählungen über ihr eigenes Leben, dass noch einiges zu tun bleibt für eine volle Gleichberechtigung, vor allem aber für den Respekt gegenüber Schwulen und Lesben in der Kirche.
"Wer sind wir, dass wir Gottes Segen vorenthalten?"
Das zeigte auch der Vortrag der Theologin Kerstin Söderblom, die Aspekte einer "Theologie der Vielfalt" vorstellte. Sie sprach sich, unter anderem, für eine völlige kirchenrechtliche und liturgische Gleichstellung der homosexuellen Verpartnerung mit der hetersexuellen Ehe aus. Also auch in der Kirche keine feinen, de facto jedoch diskriminierenden Unterschiede mehr zwischen heterosexuellen Menschen, die sich trauen lassen – und homosexuellen Paare, die sich "nur" verpartnern lassen, um ein Beispiel zu nennen. Nicht zuletzt mit dem oben genannten Argument: "Wer sind wir, dass wir Gottes Segen vorenthalten?", wie Kerstin Söderblom unter großem Applaus unterstrich.
Klaus Wowereit brachte die Stimmung im Kulturpalast bei der fast dreistündigen Veranstaltung wohl auf dem Punkt. Er sei, sagte er, ziemlich entsetzt, dass die Kirche im Kampf für gleiche Rechte für Schwulen und Lesben noch nicht weiter sei, obwohl sie doch in anderen Gebieten stets die Vorreiterin gespielt habe. Die Kirche müsse im Kampf für Homosexuelle voran gehen, wolle sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Der Regierende Bürgermeister, der mit einem schlichten, mutigen Satz Geschichte geschrieben hat, bekam dafür sehr viel Beifall. Es war ein Heimspiel. Auswärts wird es schwerer.
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