Leitlinie für Schule in Coronazeiten: Vorerst keine Lockerung für Schulen
Die Bildungsministerin präsentierte einen von Fachgesellschaften erarbeiteten Fahrplan. Unklar bleibt, wann der Betrieb wieder öffnet.

Vorerst bleibt alles beim Alten: Maske auf, Schule zu! Foto: Wolfgang Kumm/dpa
BERLIN taz | Wenn sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsident:innen der Länder am Mittwoch treffen, wird es voraussichtlich auch um die Frage gehen, wann Schulen wieder öffnen. Viel Hoffnung mochte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) den homeofficegeplagten Schüler:innen und deren Eltern am Montag nicht machen: Es herrsche Einigkeit, dass jetzt noch nicht die Zeit sei für leichtfertige Lockerungen. „Und wir wissen, dass der Schulbetrieb zum Infektionsgeschehen beiträgt“, so Karliczek
Für den fernen Tag, an dem die Schulen wieder öffnen, präsentierte die Bildungsministerin jedoch erstmals Handlungsempfehlungen, die federführend von mehreren medizinischen Fachgesellschaften auf der Grundlage von 40 aktuellen Studien erstellt wurden. Starker Konsens besteht bei den 26 Autor:innen, dass soziale Kontakte in Zeiten der Pandemie auch in der Schule reduziert werden sollten. Das heißt, schon bei niedrigem Infektionsgeschehen sollten Schüler:innen in festen Gruppen unterrichtet werden. Bei mäßigem Infektionsgeschehen sollten die Klassen halbiert und Schulen nur stufenweise geöffnet werden. Wobei gelten soll, dass in Grundschulen so lange wie möglich Regelunterricht stattfindet.
Einig sind sich alle Expert:innen darin, dass Masken ein wesentlicher Baustein sind, um das Infektionsrisiko zu senken. Bei mäßigem Infektionsgeschehen sollte es aber Ausnahmen für Grundschüler:innen geben, wie Eva Grill, die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, betonte. „Grundschülern sollten Pausen vom Maskentragen ermöglicht werden.“ Das Lüften im Klassenraum halten die Autor:innen für unverzichtbar. Teure Luftfilter, über deren Anschaffung lange gestritten wurde, sehen sie als Alternative an.
Dass sich nicht nur Epidemiologen, sondern weitere Akteure wie Eltern, Schüler:innen und der Kinderschutzbund über die Leitlinien gebeugt haben, merkt man diesen an. So empfehlen alle Beteiligten, den Musik- und Sportunterricht auch in Pandemiezeiten fortzusetzen – am besten im Freien. Auch empfehlen sie, Schüler:innen, die Schnupfen haben, aber nicht unter typischen Covid-Symptomen leiden, nicht sofort nach Hause zu schicken, sondern ihnen weiter die Möglichkeit zu geben, am Präsenzunterricht teilzunehmen. „Man müsste sonst unverhältnismäßig viele Schüler:innen in Quarantäne schicken, der Schaden dadurch wäre größer als der Nutzen“, so Ingeborg Krägeloh-Mann von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.
Nutzen und Nebenwirkungen abgewogen
Die Stärken der nun vorgelegten Leitlinien bestehen darin, dass sie interdisziplinär und im Konsens erarbeitet wurden und Nutzen und mögliche Nebenwirkungen gegeneinander abgewogen wurden. Ziel sei es, einen möglichst sicheren, geregelten und kontinuierlichen Schulbetrieb zu ermöglichen, so die wissenschaftliche Leiterin Eva Rehfuss, Professorin für Public Health an der Universität München.
Die Schwächen werden jedoch ebenfalls sichtbar. So fehlt in dem Papier der Punkt Schnelltests. Mit massenhaften Tests für Schüler:innen hat Österreich die Schulen am Montag geöffnet. Außerdem drücken sich die Autor:innen um eine feste Definition herum, was niedriges, mäßiges und hohes Infektionsgeschehen denn konkret bedeutet. Stattdessen verweisen sie auf lokale und regionale Besonderheiten sowie das Robert Koch-Institut, das seine Lageeinschätzung anhand von Kriterien wie Inzidenzen, Fallzahlen oder Auslastung der Intensivbetten erstellt. Derzeit schätzt dieses das Geschehen als „sehr hoch“ ein.