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Leistungsschutz-Forderungen der Verlage"Nie dagewesene Rechtsverwirrung"

Die Großverlage wollen ein Leistungsschutzrecht etablieren, um online Geld zu verdienen. Urheberrechtsexperte Till Kreutzer warnt vor schweren Nebenwirkungen für Meinungsfreiheit und Urheberrecht.

Schon das Lesen der Überschrift könnte kostenpflichtig werden. Bild: dpa
Interview von Ben Schwan

taz.de: Herr Kreutzer, in dieser Woche gab es eine Anhörung des Justizministeriums zum von den deutschen Verlagen geforderten Leistungsschutzrecht. Vielen ist nicht klar, worum es dabei überhaupt geht. Können Sie in wenigen Sätzen zusammenfassen, was die Verleger da wollen?

Till Kreutzer: So einfach ist das gar nicht, da es auch bei der Anhörung nicht eindeutig klar wurde, was die Presseverlage eigentlich wollen. Es geht wohl um zweierlei: Die Verleger behaupten, dass es nicht möglich ist, mit ihren Online-Angeboten Geld zu verdienen. Daher suchen sie neue Einnahmequellen. Die soll nun der Gesetzgeber schaffen, indem er ein solches Leistungsschutzrechts (LSR) schafft.

Das LSR soll zweierlei Folgen haben: Zum einen sollen News-Aggregatoren (wie vor allem Google News, aber im Zweifel auch eine Vielzahl anderer Dienste) Geld dafür bezahlen, dass sie in den Suchergebnisse winzige Ausschnitte aus den Online-Angeboten der Presseverlage ("Snippets") anzeigen. Zum anderen sollen "gewerbliche Nutzer" zukünftig dafür bezahlen, dass sie die frei und kostenlos zugänglichen Online-Angebote der Verlage (z.B. Welt-Online) nutzen, also dort Artikel lesen.

Von wem wollen die Verlage Geld sehen? Geht es nur gegen Google oder die gesamte Wirtschaft?

Bild: martin hufner
Im Interview: 

TILL KREUTZER ist Experte für Informationsrecht. Der Anwalt leitet das Referat Urheberrecht am Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS).

So gesehen geht es gegen die gesamte Wirtschaft. Und nicht nur das: auch Freiberufler, freie Journalisten, Grafiker und andere sind "gewerbliche Nutzer", wenn sie im Rahmen ihrer Berufsausübung Angebote der Presseverlage im Netz nutzen. Sie alle werden zahlen müssen.

Wie Sie schon erwähnt haben, wollen die Verlage auch einzelne Schlagzeilen und "Snippets" wie "WM-Neuling Slowakei schoss Italien sensationell mit 3:2 ab" lizenzpflichtig machen. Beißt sich das nicht mit dem Urheberrecht oder gar dem Recht auf freie Meinungsäußerung?

Das beißt sich insbesondere mit den elementaren Grundsätzen des Urheberrechts. Das Urheberrecht hat eine Ausgleichsfunktion. Es soll die Interessen der Rechteinhaber und die Interessen der Allgemeinheit ausbalancieren. Ein Recht, das kurze Wortfolgen, Überschriften und Satzteile einem Monopol unterwirft, würde letztlich auf eine Monopolisierung der Sprache selbst hinauslaufen. Natürlich betrifft das dann auch die Freiheit zur Meinungsäußerung und darüber hinaus alle anderen Kommunikationsgrundrechte und vieles mehr.

Der Plan scheint, wenn man ihn sich näher betrachtet, ziemlich gewagt zu sein, zumal ja auch schon das Urheberrecht die Texte der Verlage schützt?

Auch diesbezüglich bestehen nach wie vor allerhand Unklarheiten. Zunächst stellt sich die Frage, wozu das LSR überhaupt gebraucht wird, also wo die Schutzlücke ist. Die Verlage lassen sich in aller Regel so weitgehend wie möglich die urheberrechtlichen Nutzungsrechte von den Journalisten übertragen. Diese Rechte bieten einen äußerst weitgehenden Schutz an den Inhalten der Online-Angebote der Verlage.

Aber natürlich schützt das Urheberecht nicht gegen die Übernahme von Snippets, um ausreichend Freiräume für die Allgemeinheit zu belassen. Und das Urheberrecht betrifft auch nicht den Werkgenuss, gleich ob zu gewerblichen Zwecken oder privat. Bislang kann niemand verbieten, dass ein Buch gelesen, ein Film gesehen oder ein Musikstück angehört wird. Auch das soll das LSR ändern, indem es eine Art "Leserecht" für die Verlage erzeugt.

Recht schwer zu verstehen sei, sagt zum Beispiel die Internet-Industrie, dass die Verlage Geld von Suchmaschinen sehen wollen, obwohl die doch auf sie verlinken, ihnen also Nutzer verschaffen. Ergo: Warum verabschieden sie sich nicht von sich aus von Google und Konsorten? Technisch wäre das leicht machbar.

Die Verlage wollen natürlich weiterhin die vielen Nutzer auf ihren Seiten haben, die über die Suchmaschinen und News-Aggregatoren auf ihre Seiten kommen. Dass diese Dienstleistung von Google und Co. kostenlos erbracht werden, reicht ihnen aber nicht. Sie wollen dazu auch noch Geld von den Dienstleistern. Eine verkehrte Welt: Üblicherweise bezahlt man einen Dienstleister, wenn er für einen tätig wird und nicht umgekehrt.

Verstehen Sie die Verlage, wenn sie sagen, sie könnten sich nicht so einfach aus Google verabschieden, sie bräuchten aber dennoch eine Lizenzgebühr?

Verständlich ist alles. Ich würde auch wollen, dass der Gesetzgeber ein Gesetz macht, das mir weitere Einnahmen beschert, ohne das ich dafür etwas tun muss. Aber die Frage ist doch, ob und aus welchen Gründen das gerechtfertigt sein kann. Es wird behauptet, ein solches Recht müsse geschaffen werden, weil Verlage im Netz kein Geld verdienen könnten, daher sei ohne ein solches Recht die Zukunft des Qualitätsjournalismus gefährdet. Belege für diese Behauptung gibt es keine, sie wurden auch bei der Anhörung – trotz mehrfacher Nachfrage – nicht präsentiert.

Im Gegenteil: Durch neue Technologien – wie derzeit das iPad – entstehen ständig neue Möglichkeiten, Geschäftsmodelle zu entwickeln und gegebenenfalls den alten hinzuzufügen. Es sollte jedem klar sein, dass ein LSR erhebliche negative Auswirkungen hätte. Ein solches Recht aufgrund von unbelegten Behauptungen zu schaffen, wäre ein fataler Fehler.

Die Verlage sagten bei der Anhörung im Justizminsiterium, es werde von Deutschland aus "ein Signal für die weltweite Pressewirtschaft" erwartet. Wie sähe denn ein Internet mit Leistungsschutzrecht potenziell aus?

Da nicht klar ist, was das LSR denn nun genau bewirken soll, ist es schwer, das präzise zu prognostizieren. Nach meinem Verständnis würde das LSR auf der einen Seite erhebliche Belastungen für die Wirtschaft nach sich ziehen, die sich aufgrund dessen einer weiteren "PC-Gebühr" ausgesetzt sähe. Alle Profinutzer, die die frei im Netz verfügbaren Inhalte der Presseverlage ansehen, sollen schließlich für das Lesen Geld bezahlen.

Zum anderen würde das Konstrukt, kleine Ausschnitte von Texten zu schützen, meines Erachtens zu einer nie da gewesenen Rechtsverwirrung führen. Denn es würde sich ständig die Frage stellen, ob man bestimmte Worte schreiben oder ob und wie auf bestimmte Inhalte hinweisen darf, ohne dabei gegen das LSR zu verstoßen. Das beträfe jeden, der im Internet publiziert, also z.B. die Blogosphäre. Die Verlage sind der Ansicht, dass dieses Problem aufgrund ihrer Konstruktion des LSR nicht besteht. Wie man das allerdings vermeiden will, ist mir nicht klar geworden.

Die Verlage wollen die Abrechnung "am HTML-Code festmachen". Was ist das für ein Konstrukt?

Das müssen sie die Verlage selbst fragen. Ich habe nicht verstanden, was das soll.

Für wie realistisch halten Sie die Umsetzbarkeit? Ist nicht zu erwarten, dass sich insbesondere die deutsche Firmenlandschaft massiv gegen eine solche neue Abgabe wehren würde?

Bislang haben sich die großen Industrieverbände oder die öffentliche Hand – die meines Erachtens genauso Gefahr läuft, die PC-Gebühren zahlen zu müssen, weil auch ihre Mitarbeiter auf beruflich genutzten PCs die Welt oder Spiegel online lesen – noch nicht zu Wort gemeldet. Einzig die IT-Wirtschaftsverbände Bitkom und eco e.V. scheinen sich derzeit bewusst zu sein, was da auf sie zukommen könnte. Meines Erachtens ist es höchste Zeit, etwa für den BDI und die Mittelstandsvereinigungen, sich in die Debatte einzuschalten.

Die Journalistenverbände scheinen eine zwiespältige Haltung zum Thema zu haben. Einerseits hoffen sie auf neue Finanzierungsquellen, andererseits trauen sie den Verlagen nicht so recht. Ist das gerechtfertigt?

Das Leistungsschutzrecht soll ein Leistungsschutzrecht für Verlage und kein Leistungsschutzrecht für Journalisten sein. Meiner Meinung wären die Journalistenverbände gut beraten, sich auf keinerlei Schulterschluss mit den Verlegern einzulassen, bevor nicht die Frage geklärt ist, ob und inwiefern die Journalisten hiervon profitieren würden und – vor allem – welchen Schwierigkeiten sie sich hierdurch ausgesetzt sehen würden.

Um diese Frage beantworten zu können, müsste aber eine analytische Folgenabschätzung durchgeführt werden, die sich weniger darauf bezieht, wie das Recht ausgestaltet werden soll, sondern ob es ein solches überhaupt geben sollte. Dass verdi (DJU) und DJV schon seit einiger Zeit mit den Verlegerverbänden über das Wie eines solchen Rechts verhandeln und nur Freischreiber noch die Ob-Frage stellt, finde ich schon sehr verwunderlich.

Freie Journalisten bedienen sich, ebenso wie ihre angestellten Kollegen, vielfach Informationen aus anderen Medien. Werden die auch zahlen müssen?

Wie gesagt – im Zweifel schon, denn auch sie sind gewerbliche Nutzer. Das ist natürlich ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Frage, was denn die Journalisten von dem LSR hätten. Einerseits sollen sie – so die Zusage der Verlage – zwar was von den Einnahmen aus dem LSR abbekommen. Andererseits werden sie im Zweifel aber auch die PC-Gebühr zahlen müssen.

Meine Frage an die Verlagsvertreter bei der Anhörung, ob in dieser Konstellation für die Journalisten denn noch ein finanzieller Vorteil bliebe, wurde nicht beantwortet.

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8 Kommentare

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  • IB
    Ich bin auch arm ...

    ... kann der Staat nicht was machen, dass ich von Google Geld kriege? Danke im Voraus!

  • H
    hape

    "Ein solches Recht aufgrund von unbelegten Behauptungen zu schaffen, wäre ein fataler Fehler."

     

    Das ist naiv. Im Medienbereich ist es üblich gesetzliche Regelungen selbst entgegen von Belegen zu schaffen, siehe Ausweitung der Rundfunkgebühr auf Computer und demnächst auf alle Haushalte und betriebe.

  • J
    jwo

    Das Ganze ist doch von Seiten der Verlage ein einziger, nicht mal ansatzweise ausgegorener Brei. Die einzige klare Aussage: Wir sind zu blöd für ein Geschäftsmodell im Web und wollen Eure Kohle trotzdem - notfalls über eine Art GEZ.

     

    Der ganze Schwachsinn fängt doch schon mal mit der Frage an: Was ist ein Verlag? Gerade im Internet publizieren ja nicht nur Proleten, sondern auch reichlichst qualitativ hochwertige Anbieter. Nicht hinter jedem Online-Magazin, das monatlich seine 400.000 Besucher hat und dessen Mitarbeiter von dem leben müssen, was sie dort (er)arbeiten, steht auch ein Verlag alter Güte.

     

    Wenn dort jemand einen Artikel schreibt gibt es aus dem LSR keinen Cent (weil: kein klassischer Verlag?). Wenn der exakt gleiche Artikel in Mehrfachverwertung bei Welt, Süddeutsche & Co. online steht, dann gibt es was?

     

    Schon an dieser Grundfrage wird der Schwachsinn zumindest auf gesetzlicher Ebene scheitern. Spätestens, wenn die ersten "Nicht-Verlags"-Autoren sich ihr Geld vor dem Verfassungsgericht erstreiten.

  • V
    vantast

    Snippets können nur ein erster Anfang sein. Weitergehend müßte man überlegen, die Benutzung der Buchstaben im Alphabet bezahlbar zu machen, der Vielschreiber zahlt mehr als der Leser, der sie nur passiv benutzt. Vielleicht sollte man noch weiter gehen und das Lesen der eigenen, mit Werbung verfeinerten, Produkte belohnen. Man sollte auch nicht vergessen, Zitate von Klassikern bezahlbar zu machen, das Modell hierfür fällt mir nur noch nicht ein.

  • A
    arribert

    am HTML-Code wollen sie es also festmachen...

    Na dann liefert halt Google Text in XML und ein Stylesheet (eine Datei, die dem Browser sagt, wie er den XML-Code darstellen soll), für den Browser gibt es dann ein Plugin, dass das ganze korrekt darstellt und schon ist das alles kein Problem mehr und hat auch einen schönen einheitlichen Look.

     

    Ich kann mir schon denken, was die mit "HTML-Code" meinen. Wenn innerhalb des Codes ein Zitat verwendet wird, soll das automatisch abgerechnet werden. Dies könnte man z.B. problemlos über meta-tags (für den Endnutzer nicht sichtbare Angaben, die im Kopf einer HTML-Datei stehen) regeln. Dort wird unter "author" einfach eine Nummer für den Kassierenden eingerichtet und wer den Artikel anklickt ermöglicht eine Einzahlung.

     

    Aber das ganze klingt für mich stark nach, unser Zug ist irgendwie abgefahren und wir haben es nicht gemerkt, obwohl wir auf dem Bahnsteig standen. Vielleicht sollten sie einfach mal ihre Kollegen von der Musikindustrie fragen, wie man mit dem Internet Geld macht. Die haben es jetzt auch geschafft, nachdem die Kundengängelung weitestgehend abgeschafft wurde. Die Filmindustrie hat eine Studie vorliegen in der klipp und klar steht, das im Kino abgefilmte Filme aufgrund ihrer mittelmäßigen bis miserablen Bildqualität von so gut wie niemandem fertig geschaut werden, die Leute machen das nach 5 Minuten aus und gehen ins Kino. Die hatten letztes Jahr 10% mehr Zuschauer.

  • MD
    Major D. Saster

    Der Flattr-Button zeigt doch schon die naheliegendste Lösung der Problematik.

    Sobald diese über die Beta-phase hinaus ist werde auch ich mit Sicherheit darauf zurückgreifen (eine Aufforderung zur Einladung habe ich schon versandt).

  • H
    holger

    in den wirtschafteilen brutalstmögliche sparmaßnahmen fordern und auch noch die blödesten marktradikalen parolen propagieren, aber wenn es darum geht selbst wettbewerbsfähig und eigenverantwortlich zu sein, dann rufen di "qualitäts-"medien nach staatlicher unterstützung.

    einfach nur erbärmlich

  • H
    holger

    in den wirtschaftteilen großspurig sparmaßnahmen und brutalen marktradikalismus fordern, aber wenn's um einen selbst geht, wollen sie nichts mehr von der selbst propagierten eigenverantwortlichkeit und wettbewerbsfähigkeit wissen und fordern für sich eine gesetzliche besserstellung ein.

    einfach nur erbärmlich

     

    sollen die verlage, die medizim, die sie immer anderen verabreichen wollen, doch selbst schlucken