Leistungsbewertung in der Schule: Punkte statt Noten
Um die Leistungen der Schüler besser vergleichen zu können, will die Schulbehörde die Noten von 1 bis 6 durch eine Punkte-Skala ersetzen. Experten beraten.
Ab Klasse 7 könnten Hamburgs Schüler künftig nach einem 24-Punkte-System bewertete werden. Das berichtete Bildungsbehörden-Staatsrat Ulrich Vieluf gestern vor einer für Samstag geplanten Tagung mit Schul- und Wirtschaftsexperten. "Wir wollen dort ein Meinungsbild erstellen und die Sache dann bald entscheiden."
Bereits im Mai hatte es Aufregung gegeben, als Pläne einer 90-Punkte-Skala bekannt wurden, die die Behörde bald zurückzog. Doch die Frage stellt sich aus Sicht der Behörde weiter, da die neue Stadtteilschule mit dem ersten Schulabschluss (ESA), dem mittleren Schulabschluss (MSA) und dem Abitur künftig drei Abschlüsse anbietet. Bisher arbeiten Hauptschule, Realschule und Gymnasium jeweils mit Skalen von 1 bis 6, die allerdings in der Bewertung verschoben sind. So wird eine Eins auf der Hauptschule am Gymnasium als Vier gewertet. Von der Gymnasiums-Eins bis zur Hauptschul-Sechs sind es neun Stufen.
Hamburgs Gesamtschulen haben für diese Diskrepanz vor über 30 Jahren eine Lösung gefunden: eine neunstufige Skala von A1 bis B6, bei der sich A- und B-Noten teilweise überschneiden. Dieses System sei für Außenstehende "schwer zu verstehen", sagte Vieluf und nannte das Beispiel eines Vaters, der sich über die Hauptschul-Empfehlung seines Sohnes beschwerte, obwohl der Junge jahrelang Zweien schrieb. Es waren A-Noten, die der Gymnasiums-B-Note Fünf entsprechen.
Dreigliedriges Schulsystem: An Hauptschule, Realschule und Gymnasium gibt es jeweils die Noten 1 bis 6. Die 1 an der Hauptschule entspricht der 3 an der Realschule und der 4 am Gymnasium.
Gesamtschule: Die Noten heißen B1, B2, B3, B4/A1, B5/A2, B6/A3, A4, A5 und A6. Die B-Noten stehen für das höhere Kursniveau.
Oberstufe: Es gibt eine Skala von Null bis 15 Punkten. Letzteres steht für 1 plus.
Vieluf spricht von einer "Gerechtigkeitslücke" für Schüler, die das Gymnasium nach Klasse 10 mit mittlerem Abschluss verlassen. Sie wären real oft leistungsfähiger als Realschulabgänger mit nominell besseren Noten. Hinzu komme, dass das Gymnasium von Klasse 7 bis 10 künftig keine Schüler mehr abschulen darf. Dem könne die Notenskala von 1 bis 6 "nicht gerecht werden".
Vieluf schwebt ein Punkte-Modell wie in der Oberstufe vor. Dabei würden besagte neun Stufen in Punkte umgewandelt und für die Noten 1 bis 8 jeweils drei Punkte für plus, glatte Note und minus gezählt. Für die 9 gäbe es null Punkte. Auf diese Weise käme man auf 24 Punkte als Bestnote, die einer 1 plus im Gymnasialspektrum entspreche. Null Punkte gäbe es für eine Hauptschul-Sechs, elf für eine alte Hauptschul-Zwei.
Vieluf kann sich vorstellen, diese Skala "auch bei Klassenarbeiten zu verwenden". Sinnvoll sei, sie auch an Gymnasien anzuwenden. Möglich sei auch, dass man sich auf eine 9er oder 15er-Skala verständige. All dies werde am Samstag diskutiert.
Der Elternkammer-Vorsitzende Peter Albrecht hält die 24 Punkte im Prinzip für richtig. Sinnvoll sei die aber nur als "zusätzliche Skala für die Halb- und Ganzjahreszeugnisse". Klassenarbeiten danach zu beurteilen sei "nicht praxisnah".
Auch der GEW-Vorsitzende Klaus Bullan ist skeptisch. "Das Notensystem technisch zu verfeinern ist nach meiner Meinung der falsche Weg." Besser wäre es, auf Lernstandsberichte ohne Noten umzustellen.
Das gibt es an der Gesamtschule Winterhude, die erst ab Klasse 9 mit A- und B-Noten beginnt. "Es gibt einmal im Halbjahr lange Gespräche mit Eltern, Lehrer und Kind, wo genau durchgesprochen wird, wie der Stand der Dinge ist", berichtet Elternrats-Mitglied Robert Schneider. Ab Klasse 9 könne man den Schülern Noten zumuten, vorher wären sie "ein Bremsklotz für schlechtere Schüler". Hinter Noten stecke eine hohe Subjektivität, und das werde in einem 24-Punkte-System "nicht besser".
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