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Leistungen für AsylbewerberExtrem wenig Geld – schon immer

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über das Asylbewerberleistungsgesetz. Bisher leben Flüchtlinge oft unter dem Existenzminimum für Deutsche.

Niemand soll unter dem Existenzminimum leben, fordern diese Demonstranten. Bild: dapd

KARLSRUHE taz | Es besteht kaum ein Zweifel, dass das Bundesverfassungsgericht eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) verlangen wird. Das wurde am Mittwoch bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe deutlich. Offen blieb vor allem, ob Karlsruhe nur eine Neuberechnung fordert oder gleich höhere Leistungen anordnet.

Das Gesetz wurde 1993 beschlossen, als die Flüchtlingszahlen in Deutschland am höchsten waren. Gegenüber Sozialhilfeempfängern wurden die Sätze damals um 25 Prozent abgesenkt. Asylbewerber blieben meist eh nicht lange in Deutschland, hieß es zur Begründung, und müssten sich daher zunächst nicht sozial-kulturell integrieren. Vor allem aber wollte man angebliche „Lockwirkungen“ verhindern.

Seither wurden die Sätze für die Flüchtlinge nicht erhöht, im Gesetz stehen immer noch DM-Werte. Zwei Anläufe, wenigstens die Inflationsverluste auszugleichen, scheiterten am Bundesrat, weil die Kommunen die Kosten nicht tragen wollen. Ein Erwachsener erhielt demnach 2010 rund 225 Euro pro Monat.

Stattdessen wurde der Anwendungsbereich des Gesetzes immer mehr vergrößert. Während die reduzierten Leistungen zunächst nur ein Jahr lang gezahlt wurden, sind es heute schon vier Jahre. Galt das Gesetz zunächst nur für Asylbewerber, so wurde es inzwischen auf zahlreiche andere Gruppen ausgeweitet, vor allem auf Geduldete, deren Asylantrag bereits abgelehnt wurde.

Bundesregierung will am Gesetz festhalten

Das Landessozialgericht NRW hält das Gesetz für verfassungswidrig und bat das Bundesverfassungsgericht deshalb in zwei Fällen um eine Entscheidung.

Karlsruhe hat allerdings keine Einwände dagegen, dass Sozialleistungen für Flüchtlinge in einem Sondergesetz geregelt werden. Eine entsprechende Klage war schon vor Jahren abgelehnt worden. Die Bundesregierung will am Asylbewerberleistungsgesetz auch festhalten, erklärte Sozialstaatssekretärin Annette Niederfranke (CDU) für die Bundesregierung.

Dass aber zumindest Änderungsbedarf besteht, ist der Bundesregierung seit Februar 2010 klar. Damals forderte das Verfassungsgericht eine Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze, der Bedarf dürfe nicht nur geschätzt werden. Dass die pauschal abgesenkten Sätze für Flüchtlinge erst recht nicht den Transparenz-Anforderungen genügen, war danach offensichtlich.

Zur Enttäuschung der Verfassungsrichter schafften es Bund und Länder seither aber nicht, sich auf neue Sätze zu einigen. Das Problem sei sehr komplex, sagte Niederfranke, denn es gebe keine Daten über das Ausgabeverhalten von Flüchtlingen. Die Sachverständige Marei Pelzer von Pro Asyl konnte die Komplexität aber nicht erkennen: „Flüchtlinge haben kein anderes Existenzminimum als Hartz-IV-Bezieher.“ Die rheinland-pfälzische Integrations-Staatssekretärin Margit Gottstein (Grüne) schlug vor, die abgesenkten Sätze wieder auf ein Jahr Bezugsdauer zu beschränken.

Maßstab soll die Menschenwürde sein

Wie hoch die Sätze des Gesetzes künftig liegen, werde Karlsruhe „selbstverständlich“ nicht selbst berechnen, sagte die federführende Verfassungsrichterin Susanne Baer zu Beginn der Verhandlung. Maßstab müsse die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip sein. Bei der Konkretisierung habe der Gesetzgeber einen „Gestaltungsspielraum“.

Rechtsanwältin Eva Steffen, die die Verfahren ausgelöst hat, forderte das Verfassungsgericht auf, sofort einzuschreiten und nicht nur eine Frist zur Änderung zu setzen. Die Leistungssätze seien derzeit „evident unzureichend“. Mehrere Verfassungsrichter äußerten Sympathie für diesen Ansatz, vor allem weil die abgesenkten Sätze bereits 19 Jahre lang nicht an die Preisentwicklung angepasst wurden. Kay Hailbronner wies dies für die Bundesregierung zurück. Die Sätze seien zwar „extrem niedrig“, könnten aber bis zu einer Neuregelung bestehen bleiben. Staatssekretärin Niederfranke verwies auf das „Bildungspaket“, das nicht nur Hartz-IV-Kinder, sondern auch Flüchtlingskinder erhalten.

Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

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16 Kommentare

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  • M
    marie

    lieber asylsuchende um sich haben wohnen,als neben den menschen wohnen,die hier mal wieder ihre braunen ergüsse vom stapel lassen.

     

    asylsuchende dürfen in deutschland nicht arbeiten,solange ihn verfahen nicht abgeschlossen ist.

     

    kein mensch verläßt sein zu hause ohne not.wer von denen ,die hier den mund so voll nehmen, würde bei unruhen und krieg nicht fliehen? und das wichtigste: die länder die sich im umfeld von kriegsgebieten befinden, nehmen den größten anteil der flüchtlinge auf und nicht europa.die umländer leisten unglaubliches,zu uns kommt nur ein bruchteil.

     

    die vorurteile,die hier verbreitet werden sind einfach unsachlich und menchenverachtend.

  • MS
    meine sache

    @tommy,

     

    das ist mein voller Ernst. Wenn ich mich an Gesetze halten muss, dann der Staat ebenso - das tut er eben nicht.

    Es ist in keinster Weise hinnehmbar, wie wir uns bis heute scheuen die vollen Konsequenzen der Schoha scheuen und somit nicht darum herum kommen, dass wir uns eingestehen müssen, bis heute kaum etwas aus der Vergangenheit gelernt zu haben.

     

    2012 ist ein Jubiläum - das Jubiläum von Rostock Lichtenhagen, Hoyerswerda,....

     

    Ich denke nicht, dass auch nur eine Person hier in der BRD es auch nur wagen sollte einem Asylanten irgendwelche Vorschriften zu machen, wie er denn bitte schön zu leben hat.

  • L
    lowandorder

    lost in translation?

     

     

    @ von viccy

    "…Nicht immer gleich nach der Menschenwürde schreiben, das nutzt sich nämlich auch ab..."

     

    Doch - immer da wo's hingehört. Und bei Asyl und Asylbewerbern gehört's hin.

    Art 1 GG ist nicht irgendwie so 'entstanden', schwebt da nicht unverbindlich im Verfassungshimmel.

    Nein  - die Grundrechtsartikel sind  - erstmals in der deutschen Verfassungsgeschichte -

    Rechtssätze. Heißt im Klartext - sie begründen grundsätzlich einklagbare Ansprüche.

    Und da die Menschenwürde des Art 1 GG wie der Name schon sagt, ein Menschenrecht ist, steht es auch den Asylsuchenden unmittelbar zur Seite.

     

    Die Mütter und Vâter des Grundgesetzes  - die Generation meiner Eltern - zeichnete etwas besonders aus und das war ihre Erfahrungen von zwei Weltkriegen - den ersten als Heranwachsende  - die Nazizeit, den zweiten als Erwachsene.

     

    Deswegen sind die Grundrechtsartikel als verbindliche Rechtssätze konzipiert.

    Und Asyl - da stand ihnen die Erfahrung ihrer deutschen Mitbürger vor Augen,

    die wahrlich nicht überall mit offenen Armen aufgenommen worden waren.

    Und nicht wenige haben den illegalen  Durchgriff Nazideutschlands mit dem Leben

    bezahlt.

     

    Im übrigen ist das Asylrecht in Deutschland so derart demontiert worden, daß es eigentlich in Anführungszeichen gesetzt gehört,

    Und das weiß natürlich auch der Herr Hailbronner.

    Um so beschämender die von ihm vertretene Haltung.

    Als er noch Hiwi bei Präsident Zeidler war ( dem Anti-Martin-Hirsch; im Tennisdress zur Vorberatung!? nicht mit Schmidt-Schnauze).

    Ja da konnte Herr Hailbronner kein Unheil anrichten.

    Ist doch dem Vernehmen nach, nie eine Sache aus diesem Dezernat zur Entscheidung in den Senat gekommen. So geht's doch auch.

  • T
    tommy

    @sven

     

    "eder, der Deutschland zu sein zu Hause machen will, sollte das auch machen koennen! "

     

    Wie irr muss man eigentlich sein, um so einen Satz schreiben zu können? Es mag Ihnen ja nicht ersichtlich sein, aber Grenzen, Nationalstaaten etc. bilden die Grundlage der internationalen Ordnung. Ihr utopisches "Kein Mensch ist illegal, offene Grenzen"-Modell entbehrt hingegen jeder Legitimität, ist im Grunde antidemokratisch (da es den Souverän in Einwanderungsfragen letzten Endes entmachtet) und würde im Falle einer Verwirklichung zu Chaos und massiver Gewalt führen. Einfach nur geisteskrank, was Sie da schreiben.

  • T
    tommy

    @meine sache:

     

    Soll Ihr Beitrag Satire sein oder sind Sie wirklich so verrückt?

  • A
    Ann

    Wer soll das alles bezahlen???

    Dass die überhaupt Geld bekommen ist ein Skandal!,

    Gebt ihnen lieber die Möglichkeit arbeiten zu gehen !

    oder als Freiwillige dem Aufnahmestaat Gutes zu leisten, dann klappt auch das lernen der Sprache usw., überall wird Hilfe gebraucht, wie wäre es als Erntehelfer, bei der Tafel oder Krankentransport als Helfer?

  • V
    viccy

    Die Menschenwürde des Art. 1 GG ist vor dem Hintergrund der Verbrechen des Nazi-Deutschlands entstanden. Damals wurden Menschen bekanntlich nach Gutdünken einfach über den Haufen geschossen, vergast, als Zwangsarbeiter zu Tode gebracht und vieles andere.

     

    Einem Asylbewerber nicht gleich 400 oder gar 800 Euro in die Hand zu drücken, ist damit ganz und gar nicht vergleichbar, beim besten Willen nicht. Und um das zu sehen muss man kein Nazi, kein Brauner oder sonst eine Ausgeburt der Hölle sein.

     

    Nicht immer gleich nach der Menschenwürde schreiben, das nutzt sich nämlich auch ab...

  • A
    Algo

    Wofür brauchen Asylsuchende denn bitte Geld?

     

    Ein Flüchtling braucht doch nur ein Dach über dem Kopf und Lebensmittel. (= Asyl)

    Das ließe sich alles schön mit Lebensmittelmarken bewerkstelligen.

    Kein Pfennig muss bar ausgezahlt werden.

  • MS
    meine sache

    Verstörend wie es immer wieder bei Asylthemen oder bei Eingreifen in von der BRD-Wirtschaft verschuldete Krisen zu einer Ballung des guten alten deutschen Gedankenguts kommt - "Bei der Farbe braun biegen sie scharf rechts ab."

     

    Kein Mensch ist illegal - die Unterwerfung in Staatsgrenzen ist bereits bedrückend genug. Dass diese hier nun die Flüchtlinge verspottet werden ist nicht nur widerlich, sondern auch gefährlich.

     

    Wir müssen uns bewusst sein, dass viele Asylanten abgeschoben werden, weil wir ihre jeweiligen Verbrecherregierungen für "lumpenreine" Demokratien halten - zumindest solange sie Öl haben.

     

    Wir müssen nicht nur die Gelder für Asylanten erheblich erhöhen (so auf ca. 800,- p.P.) sondern auch die Bedingungen lockern. Recht auf Arbeit, Recht auf freie Bewegung, dezentrale Unterbringung. Verpflichtung der Asylaufnahme.

     

    Wir sind laut der Genfer Konvention verpflichtet deutlich mehr Asylanten aufzunehmen.

    Es wäre erfreulich, wenn wir mehr als nur das Mindeste tun würden. Denn zur Zeit sind wir in Sachen Asylanten die wahren Verbrecher - weit unter jeglicher Würde und dem absoluten Minimum.

  • M
    Mozart121

    Bei allen Sozialleistungen, die gewährt werden, sei es Elterngeld oder Asylleistungen, sollte mitbedacht werden, dass Netto vom Brutto beim durschnittlichen Arbeitnehmer immer weniger übrig bleibt. Ständig werden neue Abgaben, siehe Pflegegeld, Unterhaltsanspruch von Eltern gegenüber Kindern ... verlangt. Das wichtigste Thema für den Arbeitnehmer, die kalte Progession, wird nicht angepackt. Viele hatten gehofft, die FDP würde das ändern. Sie sind aber nur die Klientelpartei der Apotheker. Was hat das mit dem Asylrecht oder der Griechenlandhilfe zu tun? Es ist schwer Mitgefühl zu entwickeln, wenn man ständig nur zahlen soll. Im übrigen begrüße ich die Einwanderung von Hochqualifizierten.

  • L
    lowandorder

    Menschenwürde ala Prof.em Kay Hailbronner!

     

    "Rechtsanwältin Eva Steffen, die die Verfahren ausgelöst hat, forderte das Verfassungsgericht auf, sofort einzuschreiten und nicht nur eine Frist zur Änderung zu setzen. Die Leistungssätze seien derzeit „evident unzureichend“. Mehrere Verfassungsrichter äußerten Sympathie für diesen Ansatz, …

    Kay Hailbronner wies dies für die Bundesregierung zurück. Die Sätze seien zwar „extrem niedrig“, könnten aber bis zu einer Neuregelung bestehen bleiben. "

     

    Ja, ja :" … wes ( Gnaden)brot ich ess, des Lied ich sing. "

    Und sei's auch ein garstig Lied.

    Der Rechtsvertreter als Kaufmann in Rechtssachen.

    Aber die Menschenwürde ist ja bekanntlich unfaßbar.

     

    Und so einer ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik und der Verwaltungsblätter Baden-Württemberg.

    Der Bock als Gärtner.

  • V
    viccy

    Als Student hatte ich ebenfalls rund 60% des aktuellen Hartz-4-Satzes. In schäbigen Unterkünften und vielleicht übermäßig repressiven Verhaltensregeln für Asylbewerber könnte man vielleicht eine menschenunwürdige Behandlung sehen, aber die Zahlung von circa 250 Euro in bar oder Sachleistungen Monat für Monat dürfte - für sich betrachtet - wohl nicht gerade ein Fall für amnesty international sein.

     

    In Rumänien waren 250 Euro der Monatslohn für einen Nokia-Mitarbeiter (wohlgemerkt, die gab es als Gegenleistung für eine Menge Arbeit). Mit guten Gründen betont Herr Rath daher, dass Flüchtlinge "oft unter dem Existenzminimum für Deutsche (sic!)" leben.

     

    Man darf gespannt sein, ob Asylbewerber nach dem BVerfG mehr Geld erhalten sollen als ein Vollzeitarbeiter in einem "Ostblockland".

  • S
    Sven

    Na endlich! Wurde ja auch Zeit... Natuerlich wird es hier wieder eine Menge Hasskomentare geben! Armes Deutschland. Aber die VErfassung gilt fuer ALLE. Ausserdem bekommt man keine Arbeitserlaubnis als Asylsuchender. Aber das "vergessen" ja einige. Jeder, der Deutschland zu sein zu Hause machen will, sollte das auch machen koennen! Da muss noch mehr getan werden in dieser Richtung.

  • MM
    Max Müller

    Wieviel hält die "Soziale Hängematte" in Deutschland noch aus? Stütze für radikale Moslems,Kindergeld für polnische Saisonarbeiter, Subventionen für Hinz und Kunz und natürlich noch ein paar Milliarden für Pleitestaaten. Macht sich irgendjemand Gedanken darüber wie das alles finanziert werden soll? Und wer rettet Deutschland wenn wir pleite sind?

  • J
    jemandin

    Bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Gremien sich am Ende auch an die Entscheidung des Verfassungsgericht halten. Bisher scheinen Urteile ja eher als nette Empfehlungen aufgefasst werden, die man getrost ignorieren kann.

     

    Jedenfalls allerhöchste Zeit, die Missstände im Asylsystem endlich anzugehen und endlich menschenwürdige Zustände für Flüchtlinge zu schaffen. (Von den anderen Fällen, in denen das BVerfG die geltende Rechtslage für unwürdig erklärt hat wie z.B. die ALG II-Regelsätze mal ganz zu schweigen.

  • B
    Basisdemokrat

    Einfach basisdemokratisch das Volk befragen ob man den Illegalen mehr Geld in den Arsch schieben soll oder nicht!