Leipzig: Demonstranten besiegen Neonazis
Die Absage aller geplanten Aufmärsche ist offenbar auch internen Querelen bei den Rechtsextremisten geschuldet.
DRESDEN taz Die Absage aller geplanten Neonazi-Demonstrationen in Leipzig durch den Rechtsextremisten Christian Worch hat in der Stadt Erleichterung ausgelöst. Als einen "großen Erfolg des jahrelangen gemeinschaftlichen friedlichen Widerstands der Leipziger" kommentierte der Erste Bürgermeister Andreas Müller (SPD) die Kapitulation Worchs. Auch Polizeipräsident Rolf Müller äußerte Genugtuung. In der Vergangenheit hatte die Stadtverwaltung immer wieder mit Verboten oder einschränkenden Auflagen versucht, die ungebetenen Gäste in die Schranken zu weisen.
Worch, der die Stadt seit sechs Jahren mit bislang 17 Aufmärschen heimsuchte, hatte dem Leipziger Ordnungsamt in einem Schreiben mitgeteilt, dass er alle bereits bis zum Jahr 2014 angemeldeten Demonstrationstermine absage. Am vergangenen Sonntag brachte Worch bei etwa 1.000 Gegendemonstranten nur noch 37 eigene Teilnehmer auf die Beine. Schon den traditionellen Aufmarsch am 1. Mai hatte er abgesagt.
Bis zu 2.000 angereiste Neonazis erforderten in der Vergangenheit immer wieder ein massives Polizeiaufgebot. Von prominenten Politikern unterstützte Gegendemonstrationen und Blockaden führten dann immer wieder dazu, dass die geplanten Märsche zu Stehveranstaltungen gerieten. Jetzt hat der zivile Widerstand gegen den sogenannten Nationalen Widerstand offenbar Wirkung gezeigt. In einer seitenlangen Erklärung auf der Neonazi-Plattform altermedia.info räumt der 51-jährige Worch ein, dass sich die "Repressionen" in Leipzig im Gegensatz zu anderen Städten als außerordentlich hartnäckig erwiesen hätten. Für sein Scheitern macht er aber auch einen Boykott der regionalen "Freien Kräfte" verantwortlich, die ihn bislang unterstützt hatten. Namentlich nennt er die in Sachsen bekannten Neonazis Jens Schober und Thomas Gerlach, die ohne Ankündigung der Demonstration fernblieben. Über die Ursachen könne er nur spekulieren, schreibt Worch. An anderer Stelle deutet er aber an, dass sich angesichts der massiven Behinderungen auch Demonstrationsfrust eingestellt haben könnte.
Das Landesamt für Verfassungsschutz bestätigte gestern, dass die aktuelle, "in diesem Umfang einzigartige Diskussionswelle" im Internet auf einen schon längerfristig schwelenden Konflikt zwischen Worch und den führenden Rechtsextremisten der Region hindeute. Das Lager der "Freien Nationalisten" sei offenbar zerstritten. Statt wie üblich im Internet zur Teilnahme an der Worch-Demo aufzurufen, hätten die Rechtsextremisten in Bad Kösen der Mörder des ehemaligen Außenministers Walther Rathenau gedacht.
Altermedia berichtet aber auch, dass sich am Sonntagabend spontan 120 "Kameraden" im Leipziger Stadtteil Grünau versammelt hätten. Der Verfassungsschutz bezweifelt jedoch, dass regionale Rechtsextremisten nun in Worchs Fußstapfen treten. Die sächsische NPD-Landtagsfraktion hat seit längerem ein gespanntes Verhältnis zu Worch, der die Parlamentarier als "betriebsblinde Apparatschiks und Funktionäre" beschimpft hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!