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LeichtathletikDa geht noch was

André Höhne ist Anwärter auf eine Medaille bei der WM. Trotzdem ist der 31-jährige Geher so gut wie unbekannt, selbst unter Leichtathletikfans. Warum nur?

Geher in Aktion. diesmal will Höhe vor den Chinesen einwackeln Bild: dpa

Es ist dieses eine Bild von André Höhne, das sich vielen Menschen eingeprägt hat. Denn mit seinem Namen wüsste normalerweise keiner etwas anzufangen, sagt Höhne selbst. Wenn er aber erkläre, dass er der besonderen Leichtathletik-Spezies der Geher angehöre, käme oft die Bemerkung: "Ach ja, da ist doch mal einer hingefallen."

Genau das war Höhne - der Gefallene bei den letzten Weltmeisterschaften 2007 im japanischen Osaka. Kurz vor dem Ziel des 20 Kilometer-Wettbewerbs, als er in diesem eigentümlichen Entengang der Geher, die niemals den Bodenkontakt verlieren dürfen, ins Stadioninnere einbog, wurde er in sengender Hitze von einem Ordner fehlgeleitet - er lag an vierter Stelle. Kaum hatte Höhne sein Vergehen realisiert, kollabierte er auf der Tartanbahn. Im Fallen drückte er noch reflexartig auf seine Stoppuhr am Arm. Höhne musste ins Krankenhaus gefahren werden.

Hätte er eine Medaille geholt, wäre ihm wahrscheinlich nicht halb so viel Aufmerksamkeit zu teil geworden. Seine sportlichen Erfolge, ob davor oder danach, blieben weitgehend unbeachtet. Seit Jahren ist er der einzige deutsche Geher, der in der Weltspitze mithalten kann. Anfang April war der 31-Jährige der erste Berliner, der sich für die von 15. bis 23. August stattfindende Weltmeisterschaft in seiner Heimatstadt qualifizierte. "Fast nirgendwo ist darüber berichtet worden", bedauert Höhne.

Allgemein klagen die Leichtathleten ja darüber, wie wenig öffentliche Beachtung die einstige olympische Kernsportart noch findet. Als Geher wird André Höhne selbst innerhalb der Leichtathletikszene kaum wahrgenommen. Ein Beispiel: Die Organisatoren der WM entschieden sich für ihre Werbekampagne in der Stadt lieber für den dauerverletzten Zehnkämpfer André Niklaus, der auch seine WM-Teilnahme vorzeitig absagen musste.

Höhne ist ein sehr verbindlicher Mensch. Selbst direkt nach einer 30-Kilometer-Trainingseinheit bei nasskaltem Wetter versucht er noch die Wünsche des Fotografen so gut wie möglich zu erfüllen. Immer lächelnd. Man kann sich ihn gut in der Dienstleistungsbranche vorstellen.

Doch Höhne kämpft für sich allein. Für seine große WM-Vision, beim 20-km-Wettbewerb am 15. August zwischen Platz drei und sechs über die Linie zu laufen, muss der Ausdauersportler derart an seine Grenzen gehen, dass er dadurch sein Ziel auch immer in Gefahr bringt. "Nach dem harten Training ist das Immunsystem stets geschwächt. In der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft bin ich bereits im Verzug, weil ich einen Infekt nicht losbekommen habe." Er traue sich momentan kaum, noch jemandem die Hand zu geben.

Ein weiteres Problem kam in den letzten Wochen hinzu: Sein Schienbein schmerzt wegen der alltäglichen Gewaltmärsche. Es ist ein Balanceakt. Höhne sagt: "Man muss genau in seinen Körper hineinhören und abwägen, wie viel man sich zumuten kann." Einerseits.

Andererseits muss er Schritt halten mit den Leistungsexplosionen, die es in den letzten sechs bis sieben Jahren auf seiner Spezialstrecke gegeben hat. Die Weltrekorde sind serienweise gefallen. Des Öfteren auch mit unerlaubten Mitteln. Doping ist insbesondere in der russischen Geher-Szene ein weit verbreitetes Phänomen. Höhnes schlichte Antwort auf diese Herausforderungen lautet: "Noch härter trainieren." Zur Not auch mal über den Schmerz hinweg. Die Langstreckengeher liegen im Training nur wenig über ihren Wettbewerbszeiten. "Anfangs des Jahres bin ich im Trainingslager in Südafrika über die 50-Kilometer-Distanz schon die WM-Norm gelaufen", berichtet Höhne.

Es folgte in Deutschland Ende März eine persönliche Bestzeit über fünf Kilometer in der Halle. Darauf kam der Rückschlag mit der langwierigen Infekt-Geschichte. Doch Höhne glaubt nach wie vor an seine Chance, bei der WM in seiner Geburts- und Heimatstadt eine große Rolle spielen zu können. Er hat die Scheuklappen aufgesetzt, den "Tunnelblick" drauf, wie er sagt.

Bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 hatte er noch frustriert bilanziert, dass da Leistungen vollbracht wurden, die eigentlich nicht möglich sind und sich die "sauberen Athleten" da ja nur vergeblich die "Beine ausreißen könnten". Jetzt arbeitet Höhne an jedem Detail, das für ihn nützlich sein könnte. Die WM-Strecke, den Zwei-Kilometer-Rundkurs Unter den Linden - Start und Ziel sind am Brandenburger Tor - will er sich noch einige Male genau anschauen.

Er möchte den Heimvorteil nutzen und sich jede Unebenheit und Besonderheit einprägen. Erstmals in der WM-Geschichte führt die Geher-Strecke mitten durch die Stadt und nicht durch die Peripherie rund um ein Stadion. "Anders als sonst werden uns da gewiss viele Leute zuschauen. Auch meine Freunde und Bekannte werden dabei sein", sagt Höhne. Es wäre das perfekte Ambiente, um durch den Gewinn einer Bronzemedaille das gegenwärtige Bild des tragisch Gestürzten verblassen zu lassen.

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