Lehrernotstand in Berlin: Voll im Minus
Nach den Sommerferien werden trotz Quereinsteigern etliche Lehrerstellen unbesetzt bleiben. Linke will Brennpunktzulage auch für ReferendarInnen.
Der Lehrermangel in Berlin verschärft sich weiter. Schon jetzt ist klar, dass nicht alle Stellen zum neuen Schuljahr besetzt werden können. „Wir werden im Sommer eine Lücke haben“, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Montag. Auf eine genaue Zahl wollte sich Scheeres angesichts der laufenden Einstellungen nicht festlegen. Es scheint aber auf eine Größenordnung von etwa 500 unbesetzten Lehrerstellen hinauszulaufen. Derzeit sind laut Scheeres noch rund 1.250 Stellen offen.
Zwar laufen noch die Einstellungsverfahren für QuereinsteigerInnen, allerdings gibt es hier maximal noch 800 BewerberInnen auf die Schulen zu verteilen. Man habe „ein Problem, aber keine extreme Situation“, betonte Scheeres. Tatsächlich lädt die Senatorin eigentlich erst nach der Sommerpause ein, um über die Einstellungssituation zu informieren. Wasserstandsmeldungen veröffentlicht ihr Haus nur ungern. Jetzt gehe es ihr aber angesichts „einer besonderen Lage“, wie es Scheeres’ Sprecherin formulierte, um Transparenz.
Mantraartig wurde am Montag wiederholt, dass der Unterricht trotz Lehrermangel nicht gefährdet sei. Spüren werden die Schulen die fehlenden Fachkräfte trotzdem: etwa bei der Sprachförderung und der Inklusion. Unter anderem für diese Bereiche hat man in den letzten Jahren rund 4.000 Stellen „on top“ geschaffen – Ressourcen, von der gerade Brennpunktschulen profitieren.
Erst kürzlich hatten sich Neuköllner Schulen mit Hilferufen an die Öffentlichkeit gewandt: Die Zahl der SchülerInnen mit emotionalen Problemen, mit Lernschwierigkeiten und Sprachdefiziten nehme stetig zu. Nun dürften sich die Schulen gezwungen sehen, mehr noch als bisher Förderunterricht zu streichen, weil die Lehrkräfte für den regulären Unterricht gebraucht werden.Schon jetzt ist klar: Nach den Sommerferien werden trotz Quereinsteigern etliche Lehrerstellen unbesetzt bleiben
Masterstudierende auf Lehramt sollen künftig bereits während ihres Studiums befristet als Lehrkräfte arbeiten dürfen – etwa für ein halbes Schuljahr auf Minijob-Basis. Bisher dürfen sie bereits als Vertretung einspringen.
Freiwillige Mehrarbeit im Umfang von zwei Stunden pro Woche soll möglich werden. Das bedeute ein Gehaltsplus von rund 350 Euro.
Pensionäre können ihren Ruhestand bis ins 68. Lebensjahr verschieben. Bisher hätten sich 160 angehende Pensionäre gemeldet,s so Scheeres. (taz)
Allerdings sollen künftig auch LogopädInnen oder ErgotherapeutInnen den Job der Lehrkräfte übernehmen dürfen. Denn die Schulleitungen dürfen Stunden, die ihnen für Inklusion oder Sprachförderung zustehen, künftig in andere Stellen „umwandeln“. Zudem hat sich die Bildungsverwaltung einen neuen Beruf ausgedacht: Wer einen Bachelorabschluss hat und über die Zusatzqualifikation Deutsch als Zweitsprache verfügt, kann als SprachlernassistentIn anfangen.
Der „Ein-Fach-Lehrer“ soll kommen
Bei der Linken stößt das auf Kritik: Die neuen AssistentInnen und LogopädInnen könnten die Lehrkräfte nicht ersetzen, betonte die bildungspolitische Sprecherin, Regina Kittler. Wie auch ihre SPD-Kollegin Maja Lasić schlägt sie vor, künftig Ein-Fach-Studierte als Lehrkräfte zuzulassen. „Das könnte noch mal wirklich etwas bringen“, glaubt Lasić. Derzeit müssen SeiteneinsteigerInnen zwei Fächer studiert haben oder zeitraubend ein Fach nachstudieren.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD)
Die „Ein-Fach-Lehrer“ stehen auch auf Scheeres’ To-do-Liste – allerdings kündigte sie an, das lediglich in der Kultusministerkonferenz der Länder zu diskutieren. Lasić sagte, da müsse Berlin schneller gangbare Regelungen auf Landesebene finden. Die Forderung findet sich auch im Entwurf eines Positionspapiers, das die SPD-Fraktion heute beschließen will.
Klar ist derweil, dass die Bildungsverwaltung stärker als bisher die Verteilung der Lehrkräfte über das Stadtgebiet steuern will. Denn während sich etwa Gymnasien in Zehlendorf ihre BewerberInnen aussuchen können, bleiben für die Schulleitungen in Brennpunkten oft die QuereinsteigerInnen, die noch in der berufsbegleitenden Ausbildung sind, oder gar keine Bewerber.
SPD-Politikerin Lasić betonte, es dürfe keine Zwangsversetzungen von Steglitz in den Wedding geben, „die Lehrkräfte müssen das mittragen“. Kittler von der Linken brachte derweil eine Brennpunktzulage auch für ReferendarInnen ins Spiel. Bisher ist ein solcher Gehaltsbonus nur für Lehrkräfte und ErzieherInnen im Gespräch.
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