Lehrermangel: Schulsenator gibt wieder 100 Prozent

Jede Berliner Schule hat im Schnitt genügend Lehrer, sagt Schulsenator Zöllner. Das hat er bereits am Schulanfang vermeldet. Eine Statistik seiner Verwaltung relativiert das Eigenlob: An 42 Prozent der Schulen fehlen Lehrer, andere sind gut ausgestattet.

Klappt nur mit Anleitung: Schüler im Werkunterricht Bild: DPA

Lehrerkräftebedarfsfeststellung - dass das kein Spass sein kann, hört man schon am Namen. Schulsenator E. Jürgen Zöllner (SPD) scheint es jedoch Freude zu machen, sich mit dem sperrigen Thema zu befassen. Nachdem er bereits Ende August die erfolgreiche Nachsteuerung bei der Ausstattung der Schulen mit genügend LehrerInnen vermeldet hatte, wandte er sich gestern erneut mit erfreulichen Nachrichten an die Bevölkerung. Die Versorgung der Schulen mit Lehrkräften liege im Schnitt bei 100,5%, teilte der Senator mit, der Unterricht sei damit "vollständig gewährleistet".

Eine gestern von der Bildungsverwaltung veröffentlichte Liste dämpft diesen Optimismus. Im Durchschnitt stimmts zwar, aber im einzelnen leiden gut 42 Prozent aller Schulen unter Lehrermangel: Sie verfügen über weniger als einhundert Prozent der Lehrerstunden, die sie angesichts ihrer Schülerzahl benötigten. Weniger als zwei Drittel der Schulen sind ausreichend ausgestattet. Die Spanne geht dabei weit auseinander: Neben Schulen, die mit einer Ausstattung von nur 84 Prozent der benötigten Lehrerstunden den Unterricht kaum bewältigen dürften, gibt es andere, deren Versorgung bis zu 14 Prozent über ihrem Bedarf liegt.

Zu den Schulen, die derart im Luxus schwelgen, gehört laut Verwaltungsliste unter anderem die Robert-Blum-Oberschule, ein Gymnasium in Schöneberg. 111,4 Prozent Lehrkraft attestiert ihr die Statistik. Elternvertreter der Schule haben sich allerdings vor gerade mal zehn Tagen mit einem Brief an den Senator gewandt. Dort beklagten sie unter anderem einen 18-prozentigen Unterrichtsausfall in der achten Klasse seit Schuljahresbeginn.

"Das Ding ist überholt", kommentiert Elternvertreter Torsten Richter Zöllners Liste. Da eine siebte und eine elfte Klasse weniger als geplant zustande gekommen seien, seien der Robert-Blum-Schule zu Schuljahresbeginn einige Lehrkräfte genommen worden. Dazu kämen zwei aktuelle Krankheitsfälle. Ersatz sei schwer zu organisieren, so Richter: "Die Lehrer, die bereit sind, kurzfristige Stundenverträge zu akzeptieren, sind nicht zu finden."

Auf "Segen von oben" wartet deshalb auch Schulleiter Klaus Hartung. Seine Schule, die Karl-Weise-Grundschule in Neukölln, ist mit 94,9 Prozent zu knapp ausgestattet. 33 Lehrerstunden pro Woche, also fast eine ganze Stelle, fehlen Hartung. Die hofft er mit Zöllners Nachsteuerung zu besetzen.

Eine Hoffnung, die nach Gewerkschaftseinschätzung enttäuscht werden dürfte: "Der Markt ist leer", sagt Peter Sinram, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin. Weil Schulsenator Zöllners Bemühen, sein Versprechen einer hundertprozentigen Lehrerausstattung zu erfüllen, sich weit in das laufende Schuljähr hineinzögen, seien Lehrkräfte mit dringend benötigten Fächerkombinationen längst in andere Bundesländer abgewandert.

"Es hat noch kein Schuljahr mit einer derartig schlechten Unterrichtsaustatttung angefangen wie dieses mit Herrn Zöllner", so Sinram. Weil der den Bedarf "bis auf zwei Stellen hinterm Komma" genau ermitteln wolle, ziehe sich die Nachsteuerung zu lange hin, sagt der GEW-Sprecher.

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