■ Kommentar: Lehre für Arbeitgeber
Das war abzusehen. Der Streit um die Lohnfortzahlung weitet sich auf andere Tarifvereinbarungen aus. Einige Stufen der Eskalation sind die Tarifpartner schon hinaufgestiegen: Hier wird die Gewinnbeteiligung für die Beschäftigten gestrichen. Dort das Weihnachtsgeld gekappt. Schon denken die Verbandssprecher laut über die Kündigung des Tarifvertrages nach. Und im Bundestag stellt die „liberale“ Abgeordnete Gisela Babel gar die Tarifautonomie in Frage. Als hätte es nie einen Liberalismus gegeben, der die kluge Regel erfand: Nicht der Staat setzt Löhne und Gehälter fest, sondern die freien gesellschaftlichen Kräfte handeln ihn aus. Nun ist das Zeichen gesetzt, an dem aus Tarif- „Partnern“ Gegner werden.
All die Schlüsselworte bis hin zum „Generalstreik“ tauchen in dem Bosch-Siemens-Haushaltsgerätewerk wieder auf. Seit Monaten grassiert dort die Furcht vor Manchester: 400 Jobs sind weggefallen, Beschäftigte anderer Filialen werden – formal als „Anlerner“ – zum Lohndumping eingesetzt, nun werden betriebliche Vereinbarungen kahlgeschlagen. Die Ariel-Clementine des Wirtschaftswunders bekommt bei dem Waschmaschinenhersteller keinen Fuß mehr auf den Boden. Die Beschäftigten kämpfen gegen die Kürzung des Krankengeldes. Das wird genauso teuer wie damals, als die Lohnfortzahlung erstritten wurde. Und es wird ein Lehrstück – für die Arbeitgeber, wieviel sozialer Friede wert ist. Christian Füller
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