Lehre an Hochschulen in der Kritik: "Professoren auf die Schulbank"
Der Wissenschaftsrat fordert 1 Milliarde Euro - damit mehr erfolgreiche Akademiker deutsche Hochschulen verlassen. Professuren mit einem stärkeren Fokus auf die Lehre sind nötig.
BERLIN taz Während die Bundesregierung für mehr Hochqualifizierte aus dem Ausland wirbt, versucht der Wissenschaftsrat die Zahl der Akademiker aus Deutschland zu erhöhen. In ungewöhnlicher Schärfe kritisiert der Rat die Situation der Lehre an den Hochschulen. "Allein mit dem Appell an mehr Engagement der Lehrenden ist es nicht getan, es braucht vielfältige institutionelle Anstrengungen - und es braucht auch mehr Geld", sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider.
Der Wissenschaftsrat hält es für nötig, 1,104 Milliarden Euro pro Jahr für dringende Verbesserungen in die Lehre zu investieren. Zum einen sollen damit neue Professorenstellen geschaffen werden, zum anderen seien Professuren mit einem stärkeren Fokus der Lehre notwendig.
Das wichtigste Beratungsgremium deutscher Wissenschaftspolitik macht auch vor Kritik an den Professoren selbst nicht Halt. Diese seien "weitgehend Autodidakten" und müssen dringend weitergeschult werden. Des Weiteren wäre dringend mehr Transparenz bei der Lehrevaluation vonnöten.
Generell sei es, so der Wissenschaftsrat, ein großes Problem, dass für eine akademische Karriere in Deutschland die Lehre kaum eine Rolle spiele. In die gleiche Kerbe schlägt auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), insbesondere bei der Werbung um Drittmittel: Diese können nur für die Forschung eingeworben werben, gute Lehre bleibt auf der Strecke.
Nur Geld helfe nicht, den Konflikt zu lösen, argumentiert Jörg Tremmel von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Seiner Ansicht nach müsse die Macht der alteingesessenen Professoren eingeschränkt werden. "Die jungen Lehrbeauftragten leisten einen Großteil der Arbeit und müssen angemessen dafür honoriert werden." Auch seine Stiftung unterstütze natürlich, wenn mehr Geld ins System fließen würde. "Nur halte ich das angesichts der Finanzzwänge der Länder für nicht realistisch", meint Tremmel.
Die Länder hatten im letzten Moment die Empfehlungen des Rats entschärft: In der vorgestellten Fassung wird auch der Bund in die Pflicht genommen.
SEBASTIAN KEMNITZER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!