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Lehre an Elite-UnisDas Kreuz mit den miesen Vorlesungen

DAAD und Fulbright-Kommission fordern von Bund und Ländern, auch die Lehre zum Kriterium für Elite-Unis zu machen. Denn bis zu 45 Prozent der Studierenden brechen vorzeitig ab.

Was kapiert? Bild: dpa

BERLIN taz Normalerweise schicken sie Studenten auf akademische Reisen in die ganze Welt. Jetzt mischen sich der Deutsche Aklademische Austauschdienst (DAAD) und die Fulbright-Kommission mit ungewöhnlich scharfer Kritik in die Elitedebatte ein: Es sei ein schwerer Fehler, dass bei der Auswahl der Elite-Universitäten die gute Ausbildung von Studierenden kein Kriterium gewesen sei. "Ohne gute Lehre gibt es keine Exzellenz", sagte Rolf Hoffmann, der als Direktor der Fulbright-Kommission Stipendien für USA-Aufenthalte vergibt. Der Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, Christian Bode, sagte taz.de, "Bundesbildungsministerin Annette Schavan muss endlich die Chance ergreifen, zusammen mit den Ländern die Lehre zu fördern." Beide äußerten sich am Rande des "Internationalen Dialogs über Hochschullehre" in der kanadischen Botschaft.

Am Freitag werden in Bonn die letzten Elite-Universitäten ausgewählt. Acht Unis sind noch im Rennen: die Humboldt- und die Freie Universität Berlin, die Südwest-Unis Heidelberg, Freiburg und Konstanz, die RWTH Aachen und die Ruhr-Uni Bochum sowie die Georg-August-Uni in Göttingen. Eine unbestimmte Zahl von ihnen wird den begehrten Zuschlag bekommen - wobei ausschließlich exzellente Forschungsleistungen sowie Doktorandenprogramme berücksichtigt werden.

Der "Dialog über Hochschullehre" zeigte, wie viel Wert Australien, Kanada, die USA und Großbritannien auf herausragende Lehrleistungen legen. In Australien zeichnet der Ministerpräsident jedes Jahr den besten Universitätslehrer des Jahres aus - mit einem Preisgeld von 50.000 Dollar. 27 weitere Professoren bekommen Preise in Höhe von 25.000 Dollar für gute Lehre. "Solche Lehrpreise richten die Aufmerksamkeit auf die Lehre an Hochschulen", sagte Joy Mighty, Präsidentin der "Society for Teaching und Learning in Higher Education" Kanadas. Auch dort gibt es einen nationalen Lehrpreis, den "3M-Teaching Award", der hohes Ansehen unter Professoren genießt. "Es ist ein Skandal, dass wir immer noch keinen Lehrpreis im Lande Wilhelm von Humboldts haben, für den Universität notwendig aus guter Forschung und Lehre bestand", sagte Christian Bode.

Fulbright-Direktor Hoffmann forderte eine neue Kategorie von Professoren: "Wir brauchen einen eigenen echten Hochschullehrer". Vier von fünf Studierende strebten heute einen akademischen Abschluss an, obwohl sie ausdrücklich nicht in die Wissenschaft gehen wollten. Angesichts des erwarteten Zuwachses an Studierenden sei es daher ratsam, so genannte Lecturer an den Universitäten zu etablieren, die allein für die Lehre zuständig seien. Hoffmann sagte, dies könne helfen die hohe Zahl an Studienabbrechern zu reduzieren - ein Viertel der Studierenden beendet das Studium ohne Examen, in den Sprach- und Kulturwissenschaften sind es 45 Prozent, in Informatik 38 Prozent. Die Lehre ist das Stiefkind der deutschen Unis.

Wegen der Befristung des so genannten Hochschulpaktes ist die Schaffung von Lecturern so gut wie unmöglich. Der Pakt soll mehr Geld für die Ausbildung des zu erwartenden Studentenansturms in die Hochschulen bringen. Er endet allerdings formell im Jahr 2010 - zwei Jahre bevor ein doppelter Abiturjahrgang in fast allen Westbundesländern Richtung Hochschulen drängen wird.

Australien, Kanada und Großbritannien sind dabei, die Lehre zum Auswahlkriterium für Professuren zu machen. Dabei fließen Evaluierungen, die berühmten "Noten für den Prof" wesentlich mit in die Beurteilungen mit ein. Gute Hochschullehrer können mit höheren Gehältern rechnen. Allerdings zeigte die Konferenz in der kanadischen Botschaft in Berlin auch, wie reserviert die Wissenschaft hierzulande dem gegenüber steht. "Wir glauben nicht an studentische Evaluierungen", sagte der Rektor der Uni Rostock, Thomas Strothotte und fragte: "Kann man gute Lehre überhaupt messen?"

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4 Kommentare

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  • AT
    Asareel Tobias Kriener

    Vieles ist nicht stimmig an deutschen Hochschulen, aber vielen Studenten ist das auch egal. Habe meine Studium (Jura) in Konstanz begonnen und in Jena abgeschlossen. Das Konstanz nun zur Elite gehoert, wundert mich nicht. Wuerde diese Uni zumindest fuer den Einstieg immer wieder empfehlen, auch wenn es weit bis dahin ist und auch nicht besonders hip. Wer sein Studium in Berlin, Muenchen, Frankfurt, Hamburg und anderen ueberfuellten Unis beginnt, der soll auch dazu stehen. Jeder weiss das vorher, der nicht die Augen davor verschliesst. Es traegt einem niemand Aufgaben zu und sie werden einem auch nicht abgenommen. Vielleicht ist der Schritt vom warmen Elternhaus in die raeumliche und Unabhaengigkeit dann doch groesser, als vorher bedacht. Viele Studenten sind auch nicht primaer an der Uni zum studieren, sondern um auszuprobieren. Das ist auch ok so, aber niemand sollte ernsthaft erwarten, dass nun alle einen Abschluss machen wollen.

    Eine bessere Betreuung waere wuenschenswert. Dafuer bedarf es aber einer anderen Ethik seitens der Professoren. Die muss erlernt werden und der Widerstand dagegen ist teilweise immenz. Fordern und Foerdern will gelernt sein. Aber auch studenten muessen endlich fordern und nicht nur "abhaengen" und Scheine sammeln.

  • SM
    sim mayer

    Mit grossem Lachen musste ich ihren Artkel ueber das australische und englische Universiataetssystem lesen (ich befinde mich gerade an einem solch gelobten: der University of Sydney)

    - das einzig Richtige an ihrem Bericht: man erhaelt hier Lehre im wahrsten Sinne des Wortes und zwar auf Lehr(dt. Ausbildungs-)niveau ( man studiert hier immerhin auch Krankenpfleger und Toepferei - zwei Lehrausbildungen in Deutschland) - aber gerade Australien als Musterland zu Preisen in der Fakultaeten wie Mathematik und Philosophie, Literaturwissenschaft etc. geschlossen werden, weil sie nicht rentabel sind und rentabel ist hier nur was nachgefragt wird, in der nur Kurse aufgrund von Nachfrage von Studierendenseite zu Stande kommen oder bei zu geringer Nachfrage einfach gecancelt werden (man legt die Ausbildung in die Haende der Auszubildenden und deren Niveau), wo niemand der Anerkennung erhalten hat den Finger kruemmt um auch noch einen miesen lectuere job an den Unis anzunehmen - ist wohl ein grosser Hohn. Es ist gerade das fantastische in Deutschland mit den! Kapazitaeten, auf ihrem Niveau zusammenarbeiten zu koennen, anstatt mit moechtegern Wissenschaftlern, die den sicheren Weg des Lectuerer gewaehlt haben und in keinster Weise sich der "Forschung" verdient gemacht haben. Ich freue mich wieder auf das abgehobene Niveau an dt. Universitaeten - dieses laesst einen alleine mit seinen eigenen Gedanken - und nur diese sind es die weiterbringen.

    Ade der Massenuniversitaet und billig Lectuerer aller angloamerikanischen Systeme! Die die es selbst so preisen mussten es wohl nie aushalten. Es waere auch mal an der Zeit dass Taz -Redakteure ein bisschen Research machen bevor sie unkommentiert sogenannte Expertenmeinungen abdrucken und verbreiten - ich kann nur sagen :

    Je mehr Leute ihr Studium fruehzeitig abbrechen, weil sie merken dass das nicht ihre Berufung ist, anstatt durch ein drei jaehriges Ministudium (besser unserer Lehrausbildung zu vergleichen) durchgeschleust zu werden - und danach 50 Prozent im Master etwas ganz anderes studieren (Grundlagenforschung entfaellt hier in Australien an einigen Fakultaeten vollkommen, weil man es sich gar nicht leisten will) - umso besser. Wer weiss schon von Anfang an, was er/sie werden moechte - und es bleibt einem nichts anderes uebrig als das auszuprobieren. Und wer eine Lehre machen und nicht studieren moechte, hat in Deutschland , im Gegensatz zum angloamerikanischen System durchaus die Moeglichkeit dazu - es gibt kein Ausbildungssystem das so vielseitig ist -ueber Lehre, Fachhochschule und Universitaet , wie es in Deutschland ist. Und nun das Niveau von Universitaeten auf engl. Ausbildungsniveau zu senken - ist mehr als makaber. Wer keine rein wissenschaftliche Ausbildung haben moechte sollte es doch mal mit einer Fachhochschule oder Lehre versuchen anstatt das Niveau der Universitaeten durch Lectuerer, Einfuehrung von BA/MA. etc. zu senken!

  • AZ
    A. Z.

    "Wer lesen kann ist echt im Vorteil", sagt mein Schwager immer. Recht hat er, wie man hier wieder einmal sieht. Könnten die in der Bundesregierung für Elite-Fragen Zuständigen nämlich lesen, hätten sie beispielsweise dem E-Lexikon die folgende Definition für den Begriff UNIVERSITÄT entnehmen können:

     

    "Universitäten [...] sind [...] Hochschulen, die die Wissenschaften in Forschung, Lehre, Studium und Ausbildung vertreten in systematischer Ordnung lehren sowie Bildungsinhalte und Berufsqualifikationen mit den jeweils höchsten Ansprüchen ihres Geltungsbereichs [...] vermitteln sollen."

     

    Eine exzellente Uni kann also zweifellos nur eine sein, die auch im Bereich der Ausbildung und nicht nur in der Forschung exzellent ist. Wer bloß in einem Teilbereich brilliert, ist schließlich nicht hervorragend (lat.: excellens), sondern bloß ein sogenannter Fachidiot. Sollen also ausschließlich exzellente Forschungsleistungen belohnt werden, müsste die Bundesregierung vernünftigerweise sämtliche Forschungseinrichtungen des Landes in ihr Ranking einbeziehen, die Unis allerdings außen vor lassen. Sie macht sich sonst lächerlich. Die Hauptaufgabe unserer Universitäten (und das sehen offenbar auch 80% der Studierenden so), besteht noch immer in der BERUFS-Qualifikation, nicht in der Mehrung des Ruhm der Regierung oder in der seuerlichen Direkt-Beglückung des Finanzministers. Dass nur exzellent sein kann, wer Neues erforscht (und also nicht arbeitet), ist überhaupt ein bedauernswerter Irrtum. Viel schneller käme man wahrscheinlich zu gleichzeitig hervorragenden UND sinnvollen Ergebnissen, wenn Forschung und Praxis mehr miteinander zu tun hätten ? auch im Bereich der Pädagogik übrigens.

  • TB
    Tobias Bohnet

    Dies zeigt doch wieder einmal, dass eine Breitenförderung unerwünscht ist. Die Masse soll schnell und ja nicht zu gebildet aus der Hochschule verschwinden und eine kleine Spitze wird gefördert bis ihnen das Geld wieder zu den Ohren herauskommt. Selbst an den "Elite-Unis" haben nicht alle was von dem Geld, sondern nur die ForscherInnen, vorzugsweise die Exzellenz dieser, somit ist der Name auch verfehlt, aber Uni... mit Exzellenzprof... ist halt einfach zu lang.

    Wenn sich der politische Wille unserer regierenden Parteien nicht bald ändert spielen wir einfach das Spiel noch ein bisschen weiter: dann stopfen wir ein paar SpitzenforscherInnen das Geld in den Allerwertesten, und wir schreien weiterhin und immer lauter "Alarm, Fachkräftemangel"...

     

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