Legalisierung von Beschneidung: Erstmal reden
Kinderschützer sind gegen eine Legalisierung von Beschneidungen in den nächsten zwei Jahren. Erst soll ein runder Tisch tagen.
BERLIN taz | Mehrere Kinderschutz-Organisationen warnen die Politik davor, voreilig ein Gesetz zur religiösen Beschneidung von Jungen zu beschließen. Vorausgehen müsse eine sachliche Debatte an einem runden Tisch mit Religionsvertretern und Sachverständigen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Georg Ehrmann, am Mittwoch.
Im Mittelpunkt müsse das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit stehen. „Wir fordern kein explizites Beschneidungsverbot, es geht eher darum, langfristig ein schwieriges Problem zu lösen.“
Der Bundestag hatte die Bundesregierung im Juli per Resolution aufgefordert, ein Gesetz vorzulegen, das die rituelle Beschneidung von Jungen grundsätzlich straffrei stellt. Zuvor hatte das Kölner Landgericht die Beschneidung aus religiösen Gründen in einem Ende Juni veröffentlichten Urteil als Körperverletzung bewertet. Seither herrscht Rechtsunsicherheit unter Juden und Muslimen.
Ende Juli hatte die Kinderhilfe mit anderen Verbänden wie dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte beim Bundestag eine Petition eingereicht, damit in den nächsten zwei Jahren kein Beschneidungsgesetz beschlossen wird. Bisher wurde das Papier noch nicht offiziell angenommen, sagt Ehremann.
„Wir müssen öffentlich die Frage diskutieren, ob die Rechte des Kindes oder die der Eltern im Vordergrund stehen“, sagt Ulrich Fegeler, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Er verwies auf die „ärztliche Verpflichtung, niemandem zu schaden“. Die Vorhaut sei nicht einfach ein „unnützes Stück Gewebe“, sondern ein Organ mit einer den Lippen oder Fingerspitzen vergleichbaren Empfindlichkeit.
Drastische Worte wählte der Israeli Eran Sadeh, Gründer der internationale Kinderschutzorganisation Protect the Child: Beschneidung sei eine Beschönigung für „gewaltsame Amputation eines gesunden Körperteils eines hilflosen Kindes“. Das Leiden der Juden im Holocaust dürfe keine Begründung dafür sein, die Debatte über die Beschneidung zu unterdrücken. Beschneidung sollte Sadehs Ansicht nach auf ein Alter verschoben werden, in dem ein junger Mann selbst darüber entscheiden kann. Dies sei eine lediglich zeitlich beschränkte Einschränkung der Religionsfreiheit.
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