Legale und illegale Steuertricks: Konzerne plündern Kassen des Südens
Durch Steuerhinterziehung transnationaler Unternehmen geht den Drittweltländern jährlich anderthalbmal so viel Geld verloren, wie sie an öffentlicher Entwicklungshilfe bekommen.
BERLIN taz Multinationale Unternehmen entziehen den Entwicklungsländern jedes Jahr Steuereinnahmen in Höhe von 160 Milliarden US-Dollar. Das zeigt eine gerade veröffentlichte Studie der britischen Entwicklungsorganisation Christian Aid, die auf Interviews mit 550 Leitern von Handelsfirmen oder -abteilungen beruht. 160 Milliarden US-Dollar sind fast anderthalbmal so viel wie die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe des Jahres 2007 - und ungefähr dreimal so viel, wie laut Weltbank-Schätzung für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen pro Jahr aufgewandt werden müsste.
"Das Geld wäre vorhanden, wenn nur diejenigen, die es schuldig sind, auch zahlen würden", schreiben die Autoren. Und dabei geht es hier nur um die reine Steuerhinterziehung, also um illegale Machenschaften. Würde man auch noch die ganz legalen Steuervermeidungstricks hinzuzählen, käme man auf ein Vielfaches der Summe. Eine Möglichkeit, weniger Steuern zu zahlen, ist es beispielsweise, hohe Kredite bei einer konzerneigenen Finanzierungsgesellschaft aufzunehmen und die Zinsen von der Steuer abzusetzen.
Christian Aid konzentriert sich in der Studie auf eine sehr beliebte Methode, wie Unternehmen ihre Gewinne aus Ländern mit hohen Steuern herausschleusen: Diese basiert auf manipulierten Verrechnungspreisen, die die einzelnen Konzerntöchter einander in Rechnung stellen. Nehmen wir als fiktives Beispiel einen Konzern, der in Mexiko Autos bauen lässt. Seine Gewinne müsste er dort zum Satz von 28 Prozent versteuern. Nun stellt eine konzerneigene EDV-Tochter in Irland dem mexikanischen Betriebsteil wahre Mondpreise für ihre Computerprogramme in Rechnung. Die extremen Kosten drücken in Mexiko auf den Gewinn - entsprechend niedriger ist die Steuerlast. Hohe Gewinne verzeichnet stattdessen die irische Tochter. Aber hier beträgt der Unternehmensteuersatz nur 12,5 Prozent.
"Den ersten Schritt haben wir gemacht", sagt Lothar Binding (SPD), Mitglied des Finanzausschusses im Bundestag. Unternehmen dürfen ihre internen Preise nicht mehr nach Belieben festsetzen, sondern müssen immer Markpreise verwenden.
Doch der Teufel steckt im Detail. Binding nennt als ein Beispiel den Chemiekonzern BASF, der mit 10.000 verschiedenen Verrechnungspreisen in 500 Produktgruppen arbeitet: "Hier müssen wir erst ein Verfahren entwickeln." Denn für viele Vorprodukte gibt es außerhalb des Konzerns keinen Markt, auf dem sich Preise frei bilden könnten. Und welcher Finanz- oder Zollbeamte kann schon genau beurteilen, wozu welche Chemikalie oder welches Hightech-Ersatzteil dient und was es wert ist?
Rund 60 Prozent des Welthandels finden nach Einschätzung der Industrieländerorganisation OECD innerhalb von Konzernen statt, was den Umfang der Manipulationsmöglichkeiten deutlich macht. Und etwa die Hälfte des globalen Handels läuft über Steueroasen. Christian Aid nennt BP als Beispiel: Zahlreiche Konzerntöchter des Energiekonzerns gehörten Holdings, die auf den Caymaninseln registriert seien.
Die Studie zeigt noch weitere Methoden auf, Entwicklungsländer um ihre Einnahmen zu bringen. Wie viele Länder biete beispielsweise Peru ausländischen Bergbau- und Agrarkonzernen so hohe Steuervergünstigungen, dass beim Staat wenig Geld ankommt. Teils werden die Vergünstigungen gewährt, um Investoren anzulocken, teilweise helfen diese aber auch nach: Bestechung von Regierungsbeamten ist für manches Unternehmen ein wichtiger Bestandteil der Steuerstrategie.
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