Leerer und teurer: Abschiebeknast wird geprüft
Weil der Abschiebeknast Grünau immer leerer und teurer wird, sucht die Innenverwaltung nach einem neuen Standort - eventuell sogar in Brandenburg.
Eine Forderung von Flüchtlingsinitiativen könnte bald Realität werden: Die Schließung des Abschiebeknastes in Grünau ist eine Option, über die der Innensenator ernsthaft nachdenkt. Die Innenverwaltung prüfe derzeit alternative Standorte, erklärte Kristina Tschenett, Sprecherin von Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der taz. Allerdings steckt dahinter kein rot-rotes Reformprojekt, die Abschiebehaft wenigstens versuchsweise abzuschaffen. Und der Senat reagiert damit auch nicht auf die Kritik an den Haftbedingungen, die schon zu Hungerstreiks und Suiziden geführt hatten. Es geht vielmehr ums Geld. Grünau ist mit 15 Millionen Euro Kosten pro Jahr zu teuer geworden.
Bereits im Februar hatte Körting im Innenausschuss verkündet, die Polizei, der das "Polizeigewahrsam" genannte Gefängnis untersteht, sei intensiv auf der Suche nach einem neuen Standort. Bisher verlief die Suche allerdings erfolglos. "Berlin ist aber auch mit Brandenburg und dem Bund im Gespräch über mögliche Kooperationen", sagte Tschenett. Ob in Zukunft Brandenburger Abschiebehäftlinge nach Berlin oder Berliner in den Brandenburger Abschiebegewahrsam Eisenhüttenstadt an der polnischen Grenze kommen sollen, sei "noch nicht spruch- beziehungsweise entscheidungsreif". Mit dem Ausbau des Flughafens Schönefeld habe auch die Bundespolizei Bedarf an einer Abschiebeeinrichtung in Flughafennähe.
Die Überlegungen tragen der Tatsache Rechnung, dass die Belegungszahlen in dem auf 240 Haftplätze ausgerichteten Gemäuer seit einigen Jahren stark zurückgehen. 2009 war der Abschiebeknast nur zu 37 Prozent ausgelastet. Auch in den beiden Jahren davor lag der Auslastungsgrad jeweils unter 50 Prozent. 2009 gab es noch 611 Abschiebungen. Vier Jahre zuvor waren es noch mehr als doppelt so viele. Ursache dafür ist vor allem der 2007 erfolgte EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens, wodurch Menschen aus diesen Ländern nun Freizügigkeit genießen. Rumänien war zuvor ein Hauptzielland Berliner Abschiebungen. Auch in das ehemalige Jugoslawien wird kaum noch abgeschoben. Die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge sind entweder bereits außer Landes oder genießen Abschiebeschutz. Nach Angaben der Innenverwaltung haben auch gesetzliche Bleiberechtsregelungen zu weniger Abschiebung und weniger Abschiebehaft geführt.
Auch in Zukunft rechnet die Innenverwaltung mit weniger Bedarf an Abschiebehaftplätzen. "Bei gleich bleibenden Voraussetzungen wird tendenziell von einer Stagnation beziehungsweise einem leicht rückläufigen Trend ausgegangen", so Tschenett.
Die Grünen fordern nun, den abgelegenen Standort Grünau aufzugeben und einen zentral gelegenen Standort zu suchen. Deren flüchtlingspolitische Sprecherin Canan Bayram erklärte: "Abschiebehäftlinge brauchen anwaltliche Betreuung und die Möglichkeit, von Angehörigen besucht zu werden. Das war in Grünau immer sehr schwierig. Eisenhüttenstadt wäre völlig undiskutabel."
Sinkende Kosten
Ein Umzug in eine kleinere Immobilie würde nicht nur der Landeskasse Geld sparen. Er könnte auch den Häftlingen zugutekommen, so Bayram. Einmal, weil man von Anfang an bessere Haftbedingungen einführen könnte. Zudem zahlen Abschiebehäftlinge anders als Strafgefangene die Kosten ihrer Haft selbst, sofern bei ihnen Geld zu holen ist. Das Land Berlin kostet jeder Abschiebehäftling pro Tag 206 Euro. Davon werden 65,26 Euro pro Tag den Häftlingen in Rechnung gestellt - ebenso wie die eventuelle Abschiebung. Bayram: "Es gibt viele Fälle, wo die Wiedereinreise nach Deutschland verwehrt wird, solange ein ehemals Abgeschobener nicht die Abschiebehaft und die Abschiebung selbst bezahlt hat." Sinken die Kosten, könnten manche Menschen eher wieder nach Deutschland zurückkehren.
Für den Flüchtlingsrat ist das keine Perspektive. "Wir fordern eine generelle Abschaffung von Abschiebehaft", sagt Sprecherin Martina Mauer. "Hier werden Menschen kaputtgemacht, die nichts anderes getan haben, als in Deutschland um Asyl nachzusuchen."
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