Lecks an Nord-Stream-Pipelines: Politik unter Hochdruck
Ursache und Täterschaft nach den Gaslecks an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 bleiben unklar. Die Politik sorgt sich um die eigene Infrastruktur.
Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. „Störungen an Nord Stream 1 und 2 sind kein Zufall und betreffen uns alle.“ Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich alarmiert. Bei einem Treffen mit dem dänischen Verteidigungsminister Morten Bødskov wurde der verstärkte Schutz kritischer Infrastruktur in allen Nato-Staaten besprochen.
Wer von der mutmaßlichen Sabotage profitiert, ist unklar, für Täter oder Auftraggeber gibt es derzeit keine Beweise – zumindest keine öffentlichen. Sicher ist, dass Angriffe auf die kritische Infrastruktur Teil hybrider Kriegsführung sind. Laut New York Times warnte der US-Geheimdienst CIA bereits im Juni, dass die beiden Pipelines Ziel von künftigen Attacken sein könnten. Der Hinweis blieb vage, ein möglicher Täter wurde nicht genannt.
Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums
Auch der Spiegel hatte darüber berichtet. Über den aktuellen Fall sagte eine Sprecherin des Weißen Hauses, dass man nicht über die Ursache des Lecks spekulieren werde. Sobald die Untersuchungen abgeschlossen seien, sei man bereit, die Partner zu unterstützen. Bedeckt hält sich auch die Bundesregierung: Man habe keine Anhaltspunkte für eine natürliche Ursache des Druckabfalls, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin.
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) machte immerhin deutlich, dass der mutmaßliche Sabotageakt erneut vor Augen führe, dass man auf kritische Infrastruktur angewiesen sei – auch unter Wasser. Die Ereignisse rund um die Gaspipelines zeigten eindringlich, wie vulnerabel und bedroht diese seien. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will Aufklärung.
„Wir gehen bereits seit Monaten von einer abstrakten Gefährdung der Energieinfrastruktur aus.“ Die Gefährdungseinschätzung werde permanent an die aktuelle Lage angepasst. Der Ministerin zufolge ist die Bundespolizei mit ihren Schiffen 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche auf Nord- und Ostsee unterwegs. „Wir müssen uns auf Szenarien einstellen, die bis vor Kurzem kaum denkbar waren“, so die Ministerin.
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz (Grüne), wies auf Twitter – wenn auch polemisch – auf die Fragilität kritischer Infrastruktur hin: „Allen, denen heute erst auffällt, dass Kabel, Leitungen und Röhren, die im Meer vor sich hin liegen, angreifbar, schwer zu schützen und verletzlich sind, müssen während der Diskussionen über Angriffe auf Glasfaserkabel 2013 bis 2017 tief geschlafen haben.“ So wurden 2013 an der Nordküste Ägyptens Taucher erwischt, die Kabel durchschnitten. Anderswo schalteten sich Staaten in Leitungsknoten ein, um Daten abzugreifen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin