Lebensmittelstreit in Venezuela: Chávez will den Reis ohne Aroma
Venezuelas Präsident lässt die privaten Reisfarmen besetzen. Damit sollen sie gezwungen werden, mehr weißen Reis herzustellen, der einer staatlichen Preiskontrolle unterliegt.
Hugo Chávez hat die vorübergehende Besetzung aller Reisfabriken Venezuelas angeordnet. Viele Betriebe weigerten sich, die Vorschriften zu befolgen und genug weißen Reis herzustellen, sagte der linksnationalistische Staatschef am Samstagnachmittag in Caracas. Stattdessen, so Chávez, werde vor allem angereicherter Reis ausgeliefert, der nicht den staatlichen Preiskontrollen unterliegt.
"Generalkommandant der Nationalgarde, setzen Sie sich in Verbindung mit dem Agrarminister", rief der Präsident in der Rede, die von allen Sendern des Landes live übertragen wurde. "Chef des operationellen Strategiekommandos, nehmen Sie Verbindung mit den Kasernenkommandos auf, um mit der Nationalgarde die Besetzung all dieser Firmen zu unterstützen, die in Venezuela Reis verarbeiten".
"Unsere Regierung ist da, um das Volk zu schützen, nicht die Bourgeoisie oder die Reichen", sagte Chávez. "Wir werden nicht zulassen, dass Sie das Volk und die revolutionäre Regierung weiter an der Nase herumführen." Firmen, die die Produktion drosseln oder einstellen wollten, drohte Chávez mit Enteignung. "Dann zahle ich mit Anleihen, glauben Sie nicht, dass ich Sie mit Bargeld auszahle."
Auslöser für die Offensive gegen die privaten Reisfabriken, die die Vermarktung von 54 Prozent der Gesamtproduktion bestreiten, war offenbar die Inspektion eines Betriebs im Bundesstaat Guárico am Donnerstag. In der Fabrik des Polar-Konzerns würden monatlich 3.000 Tonnen Reis verarbeitet, hatte der Funktionär Carlos Osorio erklärt, das sei nur die Hälfte ihrer Kapazität. Deshalb wurde die "präventive Beschlagnahmung" des gesamten Lagerbestandes von 18.000 Tonnen verfügt.
Außerdem waren in der Fabrik 90 Prozent des für den Endverkauf abgepackten Reises mit Aromastoffen versetzt, berichtete Agrarminister Elías Jaua am Samstag. Dieser "Reis mit Geschmack" kostet rund doppelt so viel wie der weiße Reis. Für Letzteren gilt seit 2003 ein garantierter Festpreis, weshalb er in den Läden chronisch knapp ist. Agrounternehmer klagen, dass Lebensmittel mit staatlich festgesetzten Niedrigpreisen für den Endverkauf nicht rentabel hergestellt werden könnten.
Dass die Knappheit zumindest beim Reis nicht mit mangelnder Produktion zusammenhängt, zeigen die Zahlen für 2008. Demnach wurde 11 Prozent mehr Reis geerntet als im Vorjahr, die Anbauflächen wuchsen sogar um 16 Prozent. Die Versorgung für das erste Halbjahr 2009 sei durch die Lagerbestände gedeckt, hatte der nationale Reisfarmerverband bereits im Dezember verkündet. Die Versorgungslage werde sich durch die Besetzungen der Fabriken nicht bessern, sagte der Vorstand der venezolanischen Reismühlenvereinigung voraus und forderte mehr Planungssicherheit ein. "Wir warten darauf, dass die Regierung die Produktionsquoten für Reis festlegt und sich zu den Vorschlägen aus der Branche äußert, durch die das Angebot des Produkts zu Festpreisen zunehmen soll", heißt es in der Erklärung vom Samstagabend.
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