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Lebensmittelskandal in NiedersachsenMinister Meyer will getrennte Eier

Niedersachsens Agrarminister möchte ökologische von konventioneller Legehennenhaltung trennen. Außerdem sollen mobile Kontrolleinheiten entstehen.

Such das Biohuhn: Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) will klare Kante zwischen konventioneller und Bioproduktion (r.). Bild: dpa

HAMBURG taz | Nach dem Skandal um überbelegte Hühnerställe will Niedersachsen die Lebensmittelüberwachung stärken. Agrarminister Christian Meyer (Grüne) kündigte an, eine „eigene Kontrolleinheit“ insbesondere für Großbetriebe beim Landesamt für Verbraucherschutz zu gründen. „Offenbar sind die bisherigen Kontrollen nicht ausreichend“, sagte Ministeriumssprecherin Natascha Manski am Mittwoch.

Hintergrund ist, dass die Oldenburger Staatsanwaltschaft gegen rund 150 niedersächsische Eierfarmen ermittelt. „Es geht ausschließlich um Überbelegung“, sagt Oberstaatsanwältin Frauke Wilken. „Wenn zu viele Hühner auf einer Fläche gehalten werden, dürfen die Eier nicht als Freilandeier verkauft werden“, so Wilken: Es gehe „aber nicht darum, dass umdeklariert, etwa ein Käfig-Ei als Bio-Ei verkauft wurde“.

Betroffen sind sowohl konventionelle als auch Bio-Betriebe. Den entscheidenden Hinweis bekamen die Fahnder aber nicht von den eigentlich zuständigen Veterinärämtern der Kommunen, sondern von einem zufällig informierten Zivilrichter.

„Mobile Einheiten können etwas verändern, wenn ihre Mitarbeiter die nötige Zeit haben“, sagt Martin Müller vom Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure. Müller, der die Kontrollen am liebsten zentralisieren würde, begrüßte die Idee, dem Land mehr Kompetenzen zu geben: „Es ändert sich nichts, wenn es bei den Kommunen bleibt.“

Als weitere Lehre aus dem Skandal verlangt Minister Meyer, dass Bio-Betriebe nicht mehr gleichzeitig auch konventionell wirtschaften dürfen. Er will die Bundesregierung über den Bundesrat auffordern, sich für eine EU-weite Gesetzesänderung einzusetzen. „Bei solchen Betrieben besteht die erhöhte Gefahr, dass Bio- und konventionelle Produkte vermischt und die Verbraucher so getäuscht werden“, erklärt Sprecherin Manski.

Niedersachsen eiert

1.080 Legehennenbetriebe gab es 2012 in Niedersachsen. Davon produzierten 211 nach Öko-Vorgaben, 281 betrieben Freilandhaltung, 495 hielten die Tiere in Boden- und 93 in Käfighaltung.

Die Bodenhaltung erfolgt im Stall. Dabei können alle Tiere miteinander in Kontakt treten. Außer bei Nestern, die mehr-etagig angeordnet sein können, nutzen die Hennen den Raum ebenerdig.

Die Freilandhaltung besitzt eine Auslauffläche, die überwiegend Bewuchs bietet und tagsüber uneingeschränkt zur Verfügung steht. Pro Huhn stehen mindestens 4 m(2) Auslauf zur Verfügung.

Bio-Eier: Hier gelten ähnliche Bedingungen wie bei Freilandhaltung. Bio-Verbände haben Zusatz-Vorschriften erlassen, etwa Futter aus ökologischem Landbau.

Bei der Käfighaltung werden viele Gruppen von je 3 bis 7 Legehennen in Käfigen innerhalb eines großen Stallraumes gehalten.

„Noch nicht geklärt“ sei die Frage, ob eine solche Trennung Agrarproduzenten betreffen könne, die ökologisch und konventionell geführte Hühnerfarmen an zwei unterschiedlichen Standorten betreiben. Ungeklärt ist auch, ob überhaupt eine relevante Zahl von Betrieben von einer solchen Zwangstrennung betroffen wären: „Statistische Erhebungen über Betriebe, die sowohl ökologisch als auch konventionell produzieren, liegen uns leider nicht vor“, räumt das Meyer-Ministerium ein. In Rheinland-Pfalz, wo zumindest Gesamtzahlen für den landwirtschaftlichen Bereich vorliegen, sind gerade mal drei Prozent der Agrarbetriebe sogenannte „Teilumsteller“.

Auf sich warten lassen wird auch eine Initiative Meyers, die Betriebe, denen die Staatsanwaltschaft Verbrauchertäuschung vorwirft, beim Namen zu nennen. Zwar ließ die Oldenburger Staatsanwaltschaft durchblicken, dass sie aus ermittlungstaktischen Gründen nichts gegen ein Outing einzuwenden hätte, das Ministerium prüft aber noch rechtliche Bedenken, da den Genannten eine Vorverurteilung droht.

Eine Liste der beschuldigten Firmen wird es keinesfalls geben. „Wenn wir Namen bekanntgeben, dann nur im Einzelfall und nachdem wir die Betroffenen davon informiert haben“, so Manski. Diese hätten die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen eine Veröffentlichung einzulegen.

So ist bislang nur eines der 150 unter Verdacht stehen niedersächsischen Unternehmen bekannt – aufgrund der herausgehobenen Stellung seines Besitzers. Die Staatsanwaltschaft wirft Wilhelm Hoffrogge nach dessen Angaben einen „Überbesatz“ von Hühnern in den Ställen seines Hofes in Dötlingen (Landkreis Oldenburg) vor, wo er Legehennen in konventioneller Boden- und Freilandhaltung hält. Seit Dienstagabend lässt Hoffrogge seine Ämter als Vorsitzender der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft und Vizepräsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft ruhen, um „Schaden von der Geflügelwirtschaft“ abzuwenden.

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7 Kommentare

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  • FX
    Franz Xaver Hiendl

    "Minister Meyer will getrennte Eier"

    Ja, Eiertrennung tut not. Und danach bitte auch, von wegen Mülltrennung, die Schalentrennung. Aber bitte nur sauber gespült die Guten in den Bio-Müll, die Schlechten in die Wertstofftonne.

  • H
    Hansen

    Es bedarf der Verschärfung der EU-Öko-Verordnung. Es müssen die Gemischtbetriebe bio/konv. abgeschafft werden. Die Futtergrundlage muss auf dem eigenen Betrieb (mindestens aber in der Region) erzeugt werden und es sind Bestandsobergrenzen einzuführen (z.B. 15.000 Legehühner).

    Das alles sollte den Anbauverbänden nicht wehtun. Warten wir mal ab, ob sie sich auch für eine Verschärfung einsetzen!

  • K
    krath-erkemweil

    Die umgerubelten Eier und andere Tierprodukte aus den Gemischtbetrieben (konv.+ bio) hat es schon vor langer Zeit z.B. im nördlichsten Bundesland gegeben. Diese Betrugsform lag schon immer nahe und war abzusehen. Deswegen war sogenannte Verbandsware, nämlich Ware von Bio-Anbauverbänden angehörenden Bio-Betrieben, eine Zeit lang eine glaubwürdige Lösung, weil dort Gemischtbetriebe je nach Anbauverband weitgehend ausgeschlossen waren.

    Die Ermittlungsergebnisse werden zeigen müssen, inwieweit diese Betrugssperre auch durchlässig gemacht wurde.

    Es ist jedoch wieder einmal kennzeichnend, dass die verantwortlichen Öko-Kontrolleure von den sprunghaften Mengenveränderungen bei ihren speziell darauf angelegten Betriebskontrollen überhaupt nichts bemerkt haben wollen. Warum ? Weil sie nur den ökologischen Betriebsteil kontrollieren können, und nicht auch den dazu gehörenden konventionellen Teil. Wenn man also in der EG-Bioverordnung schon Gemischtbetriebe zulässt, was ich von vornherein für einen Webfehler des Kontrollsystems gehalten habe, dann müssen sich auch die gesamten Gemischtbetriebe einschliesslich aller ihrer konventionellen Abteilungen der Bio-Kontrolle unterwerfen, um genau diese naheliegendste Betrugsform auszuschliessen. Das ist eine logische Mindestanforderung des Kontrollsystems, die bislang überhaupt nicht erfüllt wurde.

  • TK
    Tadeusz Kantor

    'Grüne Minister' scheitern nicht an den Behörden, sie scheitern an den Parteien SPD/CDU/CSU/FDP, so sieht's aus.

  • NS
    Niklas Sankt

    Das Wort „Qualität“ steht mittlerweile auf fast jedem Produkt und damit sichert sich der Landwirt einen guten Absatz seiner Produkte. Qualitätsfleisch, Qualitätsmilch, Qualitätseier. Einzig und allein der Wortbaustein „Qual“ scheint hier immer zuzutreffen. Aber wir Verbraucher sind gutgläubig und denken, dass für die 30 Cent, die wir für ein Ei bezahlen, das Huhn ein angenehmes Leben führen kann. Die Landwirte interessieren aber weder die Gesundheit der Tiere noch die der Verbraucher. Die Behörden haben zu wenig Personal für Kontrollen und die Hemmschwelle, auf Kosten der Tiere das schnelle Geld zu machen, ist niedrig. Immer wieder zeigen Recherchen von PETA, wie zum Beispiel Hühner mit nur noch wenigen Federn am Körper in der Eierindustrie in überfüllten Ställen aneinandergepfercht werden. Oft schalten sich erst dann die zuständigen Behörden ein. Zu sehen ist das Video unter PETA.de/EierRecherche2012. Egal ob bio oder konventionell, ich lebe vegan, denn nur dann kann ich sicherstellen, dass für meinen Appetit kein Tier leiden musste.

  • MG
    manfred gerber

    alle grünen Minister scheitern bisher, insbesondere was die Kontrollen angeht, weil sie ihre Behörden nicht richtig im Griff haben.

    Ein einziger Hardliner kann sämtliche Bemühungen seiner zuarbeitenden Behörden blockieren.

    Ohne eisernen Besen gegen das Machtkomplott des Bauernverbandes in den Landwirtschaftskammern, bleibt die Misere, wie sie ist.

    Es gibt derzeit neue Erkenntnisse, dass viele Probleme die unsere industrialisierte Landwirschaft verursacht, wie Pestizide und Medikamente, überflüssig sind.

    Unser Verwaltungssystem, wäre dennoch nicht in der Lage, etwas zu ändern, selbsr wenn nur noch pures Wasser die Pestizide ersetzen könnte.

    An dieser Stelle offenbart Korrumpiertheit seine geisteskranken Züge.

  • G
    Gockel

    Was bleibt denn nun von dem großmäuligen Gerede, dass die Betriebe, gegen die ermittelt wird, genannt werden müssen, Herr Minister sogar gezwungen sein könnte, die zu nennen: NICHTS, wenn wir nicht zum Lychmob-Staat verkommen wollen. Was bleibt denn nun von dem großmäuligen Gerede über Transparenz, z.B. wie viele Biobetriebe mit wievielen Tieren welche Überbesetzungen hatten, wieviele davon einem Verband angehörten, diese Infos liegen alle vor und könnten veröffentlicht werden: NICHTS Nach Angaben von Prinz Löwenstein sind 40 Biobetriebe betroffen, warum kommt das denn nicht nicht vom Tranparenzminister? Statt dessen läßt man Spekulationen ins Kraut schießen, dass Millionen Eier umdeklariert worden sind. Transparenz ist anders!