piwik no script img

Lauter Krach im Treibhaus

Studie der Umweltbehörde belegt: Straßenverkehrslärm gefährdet die Gesundheit von 150.000 HamburgerInnen. Spitzenreiter bei Lärmbelastung ist der Bezirk Nord  ■ Von Gernot Knödler

Nicht Stickstoff, Benzol und Ruß sind die gefährlichsten Emissionen, mit denen Autos und Laster die Umwelt versauen, sondern der Lärm und das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Das hat sich bei einer Anhörung des Verkehrsausschusses der Bürgerschaft am Dienstagabend herausgestellt. Die Abgeordneten hatten einmal mehr versucht, sich Klarheit über die Qualität des von der Baubehörde entworfenen Verkehrsentwicklungsplans (VEP) zu verschaffen.

„1990 schon war das Gesundheitsrisiko durch Lärmbelastung zehnmal so hoch wie durch Benzol“, formulierte Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) griffig. Zuvor hatten seine Mitarbeiter nachgewiesen, dass die Umweltbelastung durch Stickstoffdioxid, Benzol und Dieselruß durch Vorschriften der Europäischen Union bereits deutlich abgenommen hat und weiter abnehmen wird.

Demnach lassen die Abgasnormen der EU bei neuen Lastwagen zum Beispiel nur noch ein Fünfzigstel des krebserregenden Rußes zu, der 1990 noch erlaubt war. Die von Autos und Las-tern in die Hamburger Luft geblasene Benzol-Menge wird von 670 Tonnen im Jahr 1990 auf 100 Tonnen in diesem Jahr abnehmen, wie Jürgen Suxdorf von der Umweltbehörde berechnet hat. Porschke zog daraus den Schluss, es sei jetzt lohnender, sich auf die Verringerung des Lärms und des CO2-Ausstoßes zu konzentrieren.Letzterer wächst, weil die Verkehrsleistung zunimmt, und nach Meinung des Umweltbundesamtes (Uba) den Effekt sparsamerer Motoren auffrisst. Die Baubehörde, so sagt Petra Röthke vom Umweltbundesamt, habe ihrem VEP-Entwurf zu optimistische Prognosen zugrunde gelegt. Insgesamt gehe der Entwurf zu wenig darauf ein, was Hamburg für den Klimaschutz tun könne.

Beim Thema „Lärm“ stellte Christian Popp vom Hamburger Lärmkontor erste Ergebnisse einer Untersuchung zur Vorsorge gegen Verkehrslärm vor – eine Arbeit im Auftrag der Umweltbehörde. Demnach ist nur der Straßenverkehr für den VEP von Interesse. Der Verkehr auf Schienen und Wasserstraßen mache in der Stadt wenig Krach, und für den Flugverkehr gelte das Fluglärmschutzgesetz.

Wichtigstes Ergebnis von Popps Gutachten: Der Straßenverkehrslärm gefährdet die Gesundheit von 150.000 HamburgerInnen (7%). Sie sind einem Dauerschallpegel von 65 Dezibel (dB(A)) und mehr ausgesetzt. Die Medizin hält es nach Auskunft der Gesundheitsbehörde für sehr plausibel, dass das Risiko eines Herzinfarktes dadurch um 20 Prozent steigt.

Die größte Zahl an Gesundheitsgefährdeten gibt es nach Angaben Popps in Mitte, Nord und Eimsbüttel. Die wenigsten in Altona, Wandsbek, Bergedorf und Harburg. Dabei wird der Grenzwert von 65 Dezibel meist um knapp neun Prozent oder mehr überschritten. Jeweils drei Dezibel mehr entsprechen dabei einer Verdoppelung der Schallintensität.

Das Lärmkontor enwickelte außerdem eine Lärmkennziffer, in der die Zahl der Betroffenen mit dem Maß der Grenzwertüberschreitung verrechnet wird. Die Zahl gibt an, wieviel mehr Lärm ein Viertel verkraften muss, als es die 16. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (BImSchV) erlaubt. Denn dort gelten etwa für Wohngebiete, Krankenhäuser und Gewerbegebiete jeweils andere Grenzwerte. Spitzenreiter bei der Lärmbelastung ist demnach der Bezirk Nord, knapp gefolgt von Eimsbüttel. Es folgen Mitte, Altona, Wandsbek, Harburg und Bergedorf.

Auch die Alternativen, vor denen Hamburg steht, haben Popp&Co berechnet: Rauschen 20 Prozent mehr Wagen durch die Straßen, steigt die Zahl der Gesundheitsgefährdeten um 10,5 Prozent. Wären es 20 Prozent weniger, sänke die Zahl um 11,1 Prozent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen