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Lauter Gewinner

Athen und Ankara begrüßen Kompromiss über EU-Dokument zur Türkei. Berliner CDU weiterhin skeptisch

ISTANBUL taz ■ Die „Türkei hat gesiegt“, titelte gestern das Massenblatt Sabah, und Hürriyet wusste auch, warum. „Unser Druck war erfolgreich“, ist das Blatt sich sicher, und: der Weg nach Europa sei nun wieder offen. Doch auch die griechische Seite sieht den Brüsseler Kompromiss im Tauziehen um die Formulierungen in dem EU-Beitrittspartnerschaftsdokument für die Türkei als ihren Erfolg an: „Ein historischer Tag“ sei das für Griechenland, verkündete Außenminister Papandreou und lobte seinen Kollegen Ismail Cem, der sich sehr konstruktiv verhalten habe.

Vorausgegangen war dem allgemeinen Sieg in Brüssel eine zweiwöchige erbitterte verbale Fehde, in deren Verlauf der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit mehrfach damit gedroht hatte, die Beziehungen zur EU völlig auf Eis zu legen. Schon als die EU-Kommission unmittelbar vor der Präsentation des Beitrittspartnerschaftsdokuments am 8. November auf griechischen Wunsch hin die Formulierung mit aufnahm, die Türkei solle sich verpflichten, die Bemühungen der UN um eine Lösung auf Zypern zu unterstützen, hatte es in Ankara heftige Proteste gegeben.

Als der griechische Außenminister Papandreou dann wenige Tage später bei einem Treffen der EU-Außenminister die Forderung stellte, in dem Dokument müsse die Türkei verpflichtet werden, einer Lösung in den strittigen Hoheitsfragen in der Ägäis zuzustimmen, war der Eklat da.

Seitdem wurde hinter den Kulissen intensiv nach einem Kompromiss gesucht, während man sich auf offener Bühne heftig beschimpfte. Die jetzt gefundene Formel ist vor allem ein Sieg der europäischen Diplomatie, an der sowohl Frankreichs Außenminister Védrine als auch EU-Kommissar Verheugen und die beiden Außenminister Papandreou und Cem ihren Anteil haben. Wie die griechische Regierung forderte, wird nun sowohl die Zypern- als auch die Ägäisfrage im Beitrittspartnerschaftsdokument erwähnt. Allerdings wird dies nicht mehr als harsche Bedingung formuliert, sondern als Teil eines „erweiterten politischen Dialoges“,wie es jetzt offiziell heißt. Die Türkei kann nun sagen, dass sie einen solchen Dialog ja schon lange führen will und die Griechen diesem endlich zugestimmt hätten.

Damit ist die Kuh erst einmal vom Eis, was letztlich auch in aller Interesse ist. In der Türkei, die zur Zeit eine bedrohliche Bankenkrise durchmacht, zeigte der Beschluss sofort Wirkung. Die Börse, die in den letzten zwei Wochen um 40 Prozent an Wert verloren hat, schoss bis zum Mittag um 10 Prozent hoch.

Auch für die ebenfalls zwischen der Türkei und der EU strittigen Frage nach einer Einbindung in die neue Europäische Verteidigungsinitiative, zeichnet sich nun eine entspanntere Haltung auf türkischer Seite ab. Bisher war die Türkei darüber unzufrieden, dass sie nur begrenzt an dem Entscheidungsprozess für die EU-Krisentruppe beteiligt wird, obwohl sie sich mit 5.000 Soldaten an ihr beteiligen will. Noch am Montagabend erklärte der türkische Ministerpräsident Ecevit, er freue sich, die Einladung des französischen Präsidenten Chirac zum Gipfeltreffen nach Nizza nun annehmen zu können.

In Berlin kritisierte gestern die CDU die Einigung der EU-Außenminister auf eine Beitrittspartnerschaft mit der Türkei. Die inhaltlichen Probleme zwischen der EU und der Türkei seien nicht gelöst, und die Konflikte darüber würden noch ausbrechen, warnte der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Karl Lamers. Die Aufnahme der Türkei in die EU sei daher auf absehbare Zeit nicht realistisch.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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