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Laszlo Csatary lebt in BudapestNazi-Kriegsverbrecher aufgespürt

Die britische Zeitung „The Sun“ hat den mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher Laszlo Csatary in Budapest aufgespürt. Er soll für die Deportation von 15.000 Juden verantwortlich sein.

Laszlo Csatary soll im Jahr 1944 bei der Deportation von 15.700 Juden in das Konzentrationslager Auschwitz eine wichtige Rolle gespielt haben. Bild: dapd

BUDAPEST dapd | Der mutmaßliche Nazi-Kriegsverbrecher Laszlo Csatary lebt offenbar in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Das Jerusalemer Büro des Simon-Wiesenthal-Zentrums teilte am Sonntag mit, der ungarischen Staatsanwaltschaft „neue Hinweise" gegeben zu haben. Csatary steht auf der Liste der jüdischen Menschenrechtsorganisation mit den meistgesuchten Kriegsverbrechern ganz oben.

Der 97-Jährige soll im Jahr 1944 bei der Deportation von 15.700 Juden in das Konzentrationslager Auschwitz eine wichtige Rolle gespielt haben. Zudem soll der ehemalige Polizeichef von Kosice im ungarisch besetzten Teil der Slowakei 1941 maßgeblich an der Deportation von 300 Juden in die Ukraine beteiligt gewesen sein.

Das britische Boulevardblatt The Sun veröffentlichte am Sonntag ein Foto Csatarys. Reporter der Zeitung hätten ihn in Budapest aufgespürt, wo er in einer Zweizimmerwohnung in einem noblen Stadtteil wohne, hieß es auf der Website der Zeitung. Nachdem seine neue Identität als Kunstdealer in Kanada 1997 aufgeflogen sei, hätten die Behörden dort seine Staatsangehörigkeit annulliert und damit begonnen, Beweismaterial gegen ihn zusammenzutragen. Csatary habe aber fliehen können und 15 Jahre lang als verschwunden gegolten.

Doch das Simon-Wiesenthal-Zentrum habe Reportern der Sun Hinweise über den möglichen Aufenthaltsort Csatarys gegeben und diese ihn schließlich in Budapest aufgespürt. Die jüdische Menschenrechtsorganisation selbst habe Tipps erhalten, nachdem sie die „Operation Letzte Chance“ ins Leben gerufen habe, mit der Nazis aus dem Zweiten Weltkrieg noch vor ihrem Ableben zur Rechenschaft gezogen werden sollen.

Das Team der Sun habe den 97-Jährigen schließlich in seiner Wohnung in Budapest aufgesucht und mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Dieser habe, nur mit Socken und Unterhose bekleidet, die Tür geöffnet. Er habe schockiert gewirkt und gestottert: „Nein, nein. Gehen Sie weg.“ Fragen nach seinem Abschiebungsprozess in Kanada habe er wütend auf Englisch abgewehrt und den Reportern dann die Tür vor der Nase zugeschlagen.

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5 Kommentare

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  • T
    tommy

    @kantig:

     

    Ich habe jetzt weder Zeit noch Lust, diesen juristischen Fragen nachzugehen - das Zitat, das Sie anführen, bestätigt aber meines Erachtens meine Sicht. Csatarys Verbrechen fallen ja wohl eindeutig unter c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Ausrottung,..., Deportation, unmenschliche Handlungen VOR oder während des Kriegs, Verfolgung aus politischen und rassischen Gründen), und keineswegs unter b) Kriegsverbrechen (Verletzung der Kriegsgebräuche, also Kriegsverbrechen im Wortsinn). Von daher verstehe ich nicht, wieso Sie meinem Kommentar widersprechen - ihr Zitat bestätigt meine Sicht.

  • W
    Weinberg

    Ob die ungarischen Regierungs-Nazis bereit sein werden, gegen Csatary ein Gerichtsverfahren in Gang zu setzen? Da wird wohl die Erde eher wieder zu einer Scheibe werden ...

  • K
    kantig

    @ tommy,

     

    Ihr 1Blick ist natürlich nicht korrekt, denn mit Statut des Internationalen Militärgerichtshofs wurde - dies ist mehrfach nachlesbar - der Rahmen von Kriegsverbrechen erheblich erweitert.

    Dazu Artikel 6:

     

    "b) KRIEGSVERBRECHEN: Nämlich: Verletzungen der Kriegsgesetze oder -gebräuche.

    Solche Verletzungen umfassen, ohne jedoch darauf beschränkt zu sein, Mord, Mißhandlungen, oder Deportation zur Sklavenarbeit oder für irgendeinen anderen Zweck, von Angehörigen der Zivilbevölkerung von oder in besetzten Gebieten, Mord oder Mißhandlungen von Kriegsgefangenen oder Personen auf hoher See, Töten von Geiseln, Plünderung öffentlichen oder privaten Eigentums, die mutwillige Zerstörung von Städten, Märkten oder Dörfern oder jede durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigte Verwüstung;

     

    © VERBRECHEN GEGEN DIE MENSCHLICHKEIT: Nämlich: Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges, Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, begangen in Ausführung eines Verbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen, für das der Gerichtshof zuständig ist, und zwar unabhängig davon, ob die Handlung gegen das Recht des Landes verstieß, in dem sie begangen wurde, oder nicht.

     

    Anführer, Organisatoren, Anstifter und Teilnehmer, die am Entwurf oder der Ausführung eines gemeinsamen Planes oder einer Verschwörung zur Begehung eines der vorgenannten Verbrechen teilgenommen haben, sind für alle Handlungen verantwortlich, die von irgendeiner Person in Ausführung eines solchen Planes begangen worden sind." (http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+N%C3%BCrnberger+Proze%C3%9F/Materialien+und+Dokumente/Einsetzung+des+Gerichtshofs/Statut+f%C3%BCr+den+Internationalen+Milit%C3%A4rgerichtshof)

     

    Wenn also jemand hier nicht recherchiert hat, dann Sie!

  • R
    Ramon

    Das ist schon echt krass! Wem bringt es denn noch was diesen alten Sack zu verurteilen? Niemandem!

  • T
    tommy

    Habe zum eigentlichen Thema nicht viel zu sagen (ob es heute noch sinnvoll ist, Nazi-Täter zu jagen, bezweifle ich teilweise - aber in diesem Fall scheint der 97-jährige ja noch recht rüstig zu sein, sollte also zur Rechenschaft gezogen werden), aber ich möchte eine Anmerkung zum Sprachgerauch machen: Csatary ist kein "Kriegsverbrecher". Kriegsverbrechen müssen irgendeinen Zusammenhang zu Kampfhandlungen aufweisen, also zum Beispiel, wenn Soldaten Gefangene foltern, töten oder Zivilisten töten (zum Beispiel durch Beschuss ziviler Wohngebiete etc.). Die Deportation und Ermordung von Juden stand aber in keinem Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen (außer im Denken der Nazis, die die jüdische Weltverschwörung als Strippenzieher hinter ihren Kriegsgegnern ansahen), sie wäre auch nach einem deutschen Sieg im Krieg bis zur Vollendung weitergelaufen. In diesem Sinne ist es eigentlich eine Verharmlosung, hier von Kriegsverbrechen zu schreiben - aber das setzt wohl für Journalisten zu viel an Differenzierungsvermögen voraus.