Lasermann vor dem Kadi in Frankfurt: „Ein fürchterlicher Abgrund“

Der NSU-Prozess ist in der Schlussphase. In Frankfurt kommt bald der Mann vor Gericht, der die Blaupause für den NSU geliefert haben könnte.

Ein junger Mann mit Schlips und Anzug

Der „Lasermann“ John Wolfgang Alexander Ausonius vor Gericht in Schweden (Archivbild von 1995) Foto: dpa

FRANKFURT AM MAIN taz | Die Parallelen sind frappierend. Elf Mordanschläge innerhalb kurzer Zeit. Anschlagsziel waren jedes Mal Männer mit Migrationshintergrund. Der Täter bestreitet seinen Lebensunterhalt mit Banküberfällen. Sein erklärtes Motiv: Hass auf Einwanderer.

Nach dem Schock der späten Erkenntnisse über die NSU-Mordserie suchten Fahnder nach verwandten Tatprofilen. Sie stießen dabei auf einen Fall, der Vorbild für den NSU gewesen sein könnte: John Wolfgang Alexander Ausonius, 1953 in Schweden als Sohn eines Schweizers und einer deutschen Mutter geboren, hatte in Schweden zwischen August 1991 und Januar 1992 elf Migranten niedergeschossen, eines der Opfer erlag seinen Verletzungen.

Die Schweden nannten den unbekannten Attentäter „Lasermannen“, weil er bei den ersten Anschlägen ein Gewehr mit Laserzieleinrichtung benutzt hatte. Im Juni 1992 wurde er gefasst und schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt. Er habe Einwanderer töten wollen, aus Hass und weil er damit von seinen Raubüberfällen habe ablenken wollen, sagte Ausonius später in einem Zeitungsinterview.

Polizei und Staatsanwaltschaft gehen inzwischen davon aus, dass „Lasermannen“ auch in Deutschland getötet hat. Im Frankfurter Westend soll er die Garderobiere Blanka Zmigrod erschossen haben, vielleicht auch weil sie Jüdin war. Die 22. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts muss jetzt über die Mordanklage entscheiden. Nach seiner Auslieferung aus Schweden sitzt Ausonius in der JVA in Frankfurt-Preungesheim in Untersuchungshaft und wartet auf den Prozess.

Die Daten und Fakten, die die Ermittler zusammengetragen haben, passen. Ausonius war zur Tatzeit in Frankfurt. Er kannte das Mordopfer. Am Tag vor dem Mord waren die beiden aneinandergeraten: Nach einem Restaurantbesuch nahe der Alten Oper stellt Ausonius den Verlust seines Rechners fest. Er glaubt, dass die Garderobiere den Computer, auf dem sich wichtige Daten seiner Auslandskonten befinden, gestohlen hat und stellt sie zur Rede. Sie bestreitet den Diebstahl.

Festnahme nach Schießerei

In der Nacht darauf wird Zmigrod auf dem Heimweg von ihrem Arbeitsplatz niedergeschossen. Unmittelbar danach setzt sich Ausonius mit falschen Papieren nach Südafrika ab. Nach Schweden zurückgekehrt, geht er schließlich der Polizei ins Netz und wird nach einer Schießerei festgenommen.

Ausonius bestreitet, für den Mord in Frankfurt verantwortlich zu sein. Sein Anwalt Joachim Bremer sagte der taz: „Es gibt einzelne Indizien, nicht einmal eine Indizienkette; das reicht nicht für eine Verurteilung.“ Die schwedische Justiz sah das offenbar anders. Sie lieferte den Beschuldigten nach Deutschland aus. „Die Strafkammer prüft derzeit die Anklage, wie lange das dauert, ist nicht absehbar“, so Gerichtssprecher Werner Gröschel zur taz.

John Ausonius

„Hass gehört ganz sicher dazu, aber vielleicht noch mehr“

Der Angeklagte dürfte ein Interesse an einem zügigen Verfahren haben. In Schweden gewährte man ihm Vollzugslockerungen. So durfte er sich 2015 immer mal wieder frei bewegen. In Begleitung von zwei Zivilbeamten konnte er shoppen, ins Schwimmbad gehen und sogar Interviews geben.

Einem langen Gespräch mit der Berliner Zeitung verdanken wir deshalb Einblicke in sein Innenleben. Er berichtet über sein Scheitern im Studium, von ruinösen Geldspekulationen, von seiner Spielsucht. „Ich war unzufrieden mit meinem Leben und suchte Verantwortliche“, so Ausonius. „Ich war nach den Attentaten erleichtert, ich fühlte mich ruhiger und nicht so gestresst wie bei den Bankrauben.. Mord als Ausgleichssport.

Gemeinsamkeiten mit den Mördern Peter Mags, Andres Brevik und dem NSU-Trio, die ebenfalls aus fremdenfeindlichen Motiven töteten, sieht er nicht. „Ich bin kein Neonazi, kein politischer Mensch“, versicherte er. Dass er mit den Mordanschlägen von seinen Banküberfällen ablenken wollte, nennt er inzwischen „wahnwitzig“. Im Rückblick erschrecke er vor sich selbst.

„Hass gehört ganz sicher dazu, aber vielleicht noch mehr. Es ist ein fürchterlicher Abgrund“, so die Bilanz des heute 64-jährigen. In Deutschland droht ihm eine zweite Verurteilung zu lebenslanger Haft.

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