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Lars von Trier im PolizeiverhörEinmal Nazi, immer Nazi

Im Mai erzählte Regisseur Lars von Trier in Cannes wohlkalkulierten Bullshit. Jetzt verhörte ihn deswegen die dänische Polizei – auf Bitte der französischen Staatsanwälte.

Weiß zu provoziereren: Lars von Trier. Bild: dapd

Manche Agenturmeldungen verschlagen einem den Atem, so unglaublich sind sie. Lars von Trier, hieß es bei dpa am Mittwochabend, musste bei der dänischen Polizei vorsprechen – und zwar auf Wunsch der französischen Staatsanwaltschaft.

Die nämlich lässt der Verdacht nicht los, von Trier habe Kriegsverherrlichung betrieben, als er sich im Mai in Cannes bei der Pressekonferenz zu seinem neuen Film "Melancholia" um Kopf und Kragen redete. Gegen den Regisseur, betonte dpa, werde aber nicht ermittelt, einzig verhört wurde er.

Lars von Trier ließ sich seinerzeit über Wagner und die deutsche Romantik aus, er äußerte ein gewisses Verständnis für Adolf Hitler, attackierte die israelische Politik und die dänische Regisseurin Susanne Bier, er erläuterte detailliert, dass sein nächster Film ein vierstündiger Porno werde, mit der neben ihm sitzenden Kirsten Dunst in der Hauptrolle, und schoss zart-homophob gegen Udo Kier, der ebenfalls auf dem Podium saß.

Er wollte nur spielen

Seine mannigfaltigen Bullshit-Äußerungen gipfelten in dem Satz "Okay, I'm a Nazi." Verteidiger von Triers hoben den Unernst der ganzen Sache hervor, und da ist durchaus etwas dran: Wer live dabei war oder sich die Konferenz auf der Internetseite des Festivals in ganzer Länge anschaute, dem musste klar sein, dass von Trier nichts von dem, was er da sagte, ernst meinte. Doch auch da, wo man nur spielen will, kann man gravierende Fehler machen.

Die Festivalleitung reagierte auf die Entgleisungen zunächst entschieden und gelassen, indem sie sich distanzierte und von Trier zu einer Entschuldigung aufforderte. Der Regisseur kam dieser Aufforderung nach; trotzdem wurde er einen Tag später zur Persona non grata erklärt – eine Überreaktion.

Dass sich nun die Polizei einschaltet, treibt die Abstrusität noch weiter. Was sich hier Ausdruck verschafft, ist eine zutiefst problematische Sehnsucht nach Hygiene im öffentlichen Raum. Wenn nichts Anstößiges geäußert werden darf, dann verbannt man jede Form der uneigentlichen, ironischen, unernsten Rede. Eine so gesäuberte Öffentlichkeit aber verdient ihren Namen nicht.

Zumal man auf deren Selbstheilungskräfte vertrauen kann: Weil Lars von Trier damit kokettiert, ein Nazi zu sein, kehrt der Nationalsozialismus noch lange nicht zu uns zurück. Es ist auszuhalten, dass der Mann so etwas sagt und dafür kritisiert wird. Viel weniger auszuhalten ist es, wenn sich in solche Fragen die Polizei einmischt.

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7 Kommentare

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  • UZ
    und zu

    es tut mir leid für ihn, hoffentlich wird ihm da nicht langfristig ein strick draus gedreht, der sein schaffen bremst. von trier ein nazi? lächerlich. er ist ein ironischer und auch sehr selbstironischer mensch (das namens-"von" hat er sich ausgedacht, um mehr her zu machen, wie er mal verlautbaren ließ). wieso wird er absichtlich missverständen? an künstler gleiche maßstäbe anzusetzen wie an leute, die von berufswegen eine gesellschaftliche vorbildfunktion haben, wofür sie eine "perfekte performance" einstudieren und geschliffene rhetorik pflegen müssen, ist kunstfeindlich.

     

    ist das wesen der kunst nicht freiheit? in dieser freiheit können fragen aufgeworfen werden, die sonst unter der firniss der zivilisation dunkel und mächtig ihr unwesen treiben. von trier konfrontiert uns mit seinen filmen mit derlei gewichtigen fragen, diese aufgabe als regisseur erfüllt er großartig. fordern wir nicht zuviel von ihm. er soll bitteschön er selbst bleiben, sperrig und unbequem.

     

    christina nord schreibt von der gefahr einer "zutiefst problematische(n) Sehnsucht nach Hygiene im öffentlichen Raum". ja, genau - vor der sollte uns grauen, nicht vor den leichtfertigen, undurchdachten äußerungen von triers.

  • T
    Thanthalas

    "Einmal Nazi, immer Nazi"

     

    Ich dachte immer verallgemeinern und vorverurteilen solle man nicht als guter Linker und nun das. Hier biegt man sich aber auch alles zurecht.

  • FS
    Freudmund Sieg

    Sein Vater war jüdischer Abstammung. Vielleicht hatte er ein Problem mit seinem Vater.

  • S
    suswe

    Man sollte von der Benutzung von Nazivergleichen und sonstigen Bezügen zur Nazizeit die Finger lassen, wenn man nicht in der Lage ist, die eigene Position klar zu halten.

    An dieser Nummer haben sich schon viele die Finger/den Mund verbrannt.

  • P
    Pedrito

    Ich würde gerne von Cristina Nord wissen, wass sie unter "Sehnsucht nach Hygiene im öffentlichen Raum " versteht. Gilt dies auch für das Treiben von Neonazis mit ihren Hassparolen? Ist es, wenn Eltern klagen, ihre Kinder würden auf der Straße, in der Schule, im Sportverein, also im öffentlichen Raum von Neonazis mit Worten, Musik und Handlungen getrieben auch eine solche Sehnsucht?

  • BB
    brauner Bär

    ...Herr Trier hat aufgrund seiner öffentliche Position die Möglichkeit und den Moment gewählt, Schwachsinn zu verzapfen - er hätte im Sinne der Meinungsfreiheit unter Berücksichtigung der Regeln des Miteinander sich nicht so äussern MÜSSEN - er hat es aber getan...und jetzt mit Unterstützung Ihrer Presse diesen Sachverhalt zu reduzieren auf : der Lars wollte nur spielen, kann ich nicht verstehen...

  • B
    broxx

    Herrgott, die Linke hat noch Stalinisten in ihren Reihen-da regt sich auch keiner drüber auf (z.B. Wagenknecht). Es ist langsam Zeit das man auch über den kleinen Österreicher Witze machen darf! Der bekloppte Italiener wird in Italien doch auch noch "hoch gehandelt" und es gibt keinen Aufschrei. Ich fand das Interview witzig und nicht verherrlichend!