Langfristiger Investitionsanstieg erwartet: Erneuerbare Energien profitieren
Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird von der Finanzkrise vorerst gebremst. Langfristig dürfte die Branche aber profitieren.
Momentan ist es eher selten, dass Bankvorstände dem Jahr 2008 etwas Gutes abgewinnen. Klaus Rave von der Investitionsbank Schleswig-Holstein allerdings erwartet einen Rekordumsatz. Ein Pfeiler der Bank ist die Finanzierung von erneuerbaren Energien, ein Sektor, in dem Rave noch nie einen Kreditausfall zu verzeichnen hatte. "Anleger und Finanzierer reißen sich bei uns um die Projekte", sagt Rave. Kreditkrise ist woanders.
Kurzfristig werden die Turbulenzen die Branche der regenerativen Energien allerdings treffen. Die dänische Beratungsfirma Make Consult schätzt in einer Ende Oktober veröffentlichten Untersuchung, dass im nächsten Jahr weltweit weniger Windkraftanlagen aufgestellt werden als 2008 - in Deutschland um bis zu 10 Prozent. Es wäre der erste Rückgang des Wachstums seit 1996.
"Die Erneuerbaren sind erst einmal pauschal von der Krise mitbetroffen", sagt Torsten Hinsche, Leiter des Kompetenzzentrums Erneuerbare Energien der Commerzbank. "In der derzeitigen Phase analysieren die Finanzmärkte, welche Auswirkungen es auf die verschiedenen Branchen gibt." Mittelfristig jedoch hält Hinsche die erneuerbaren Energien für einen der Gewinner der Krise. Denn wenn die Anlagen erst einmal errichtet sind, liefern sie ihren Strom unabhängig von schwankenden Öl- und Gaspreisen. Zu Beginn der Kreditkrise sei in Europa ein Anstieg in Investitionen in erneuerbare Energien durch Banken zu verzeichnen gewesen, sagt Angus McCrone, Chef des britischen Beratungsdienstes new energy finance. Denn die Investitionen sind sicher: Staatliche Garantien dazu gibt es in Deutschland bereits seit dem Jahr 2000. Zwar können Kredite ausfallen, über das damals in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz gibt es aber auf 20 Jahre vom Gesetzgeber festgelegte Preise für Strom aus Wasser- und Windkraft, für Solarenergie, Biomasse- und Geothermie.
Mindestens 60 Länder weltweit haben ähnliche Programme. Wie viel Energie und damit wie viele Einnahmen Anlagen liefern, lässt sich mit Prognosen über Sonneneinstrahlung und Windstärken relativ exakt ermitteln. Zudem sinken die Herstellungskosten, weil im Zuge der Wirtschaftskrise die Nachfrage nach Rohstoffen niedriger ist: Gerade Stahl- und Kupfer, die für Windräder reichlich gebraucht werden, sind deutlich billiger geworden.
Allein Windrädern auf hoher See macht die Krise dennoch zu schaffen. Wartung, Installation, technische Risiken und vor allem die Kosten von mindestens 500 Millionen Euro für einen größeren Windpark sind bei dieser Technologie wesentlich höher als bei anderen regenerativen Energiequellen. "Die Kreditkrise ist im Offshorebereich ein großer Hemmschuh, da die Liquidität bei den dort engagierten Banken kaum mehr vorhanden ist", sagt Rave.
Wenn nicht die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder die Europäische Investitionsbank einspringe, sieht Rave die Klimaschutzziele der EU gefährdet, weil sich der ambitionierte Ausbau von Offshorewindparks verzögern kann. Bisher plant etwa Großbritannien, bis 2020 rund 7000 Windräder mit einer Leistung von 33 Gigawatt im Meer aufzustellen, Deutschland plant 20 Gigawatt. "Eine Bank investiert momentan lieber in 20 Projekte, die je 50 Millionen Euro kosten, als in eines, das eine Milliarde kostet", sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. Zudem, sagt Albers, bedienen sich Offshoreprojekte zur Finanzierung mehr als die in Deutschland mittelständisch geprägten Anlagen an Land der internationalen Finanzmärkte - derzeit eine versiegende Geldquelle.
Doch trotz dieser Unsicherheiten ist die Branche von stillstehenden Bändern - anders als derzeit die Autoindustrie - weit entfernt. Die Fabriken für Turbinen sind nach wie vor für ein Jahr ausgebucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“