Lange Debütroman-Nacht in Lübeck: Auf den Spuren des Nobelpreisträgers
Thomas Mann steht Pate: Drei Autor:innen gastieren mit ihren ersten Romanen bei der „Langen Debütnacht“ im Lübecker Buddenbrookhaus.
![Buddenbrook-Bücher, präsentiert im Buddenbrook-Haus in Lübeck Buddenbrook-Bücher, präsentiert im Buddenbrook-Haus in Lübeck](https://taz.de/picture/7537551/14/Buddenbrooks-Ausgaben-im-Buddenbrooks-Haus-c-dpa-1.jpeg)
„Viel zu mächtig“, fand der Verleger: Erst als der junge Autor sein Manuskript wieder gekürzt hat, deutlich unter zwischenzeitlich 1.000 Seiten, kann der Debütroman erscheinen, im Februar 1901. Er wird sich als gute Investition erweisen für den Fischer-Verlag, immerhin wird das Romandebüt seinem Verfasser den Literaturnobelpreis einbringen – und bis heute für manche:n Kritiker:in das Form-Ideal stellen; der Roman, an dem sich alle Romane messen lassen müssen.
Ja, die Rede ist von Thomas Mann und seinen „Buddenbrooks“, dieser Mutter aller Familien-Fassaden-und-Abgründe-Chroniken. Bis zum Weltruhm und der bildungsbürgerlichen Kanonwerdung dauerte es dann aber noch bis 1929, erst mal bezog der 26-jährige Autor nicht zu knapp Dresche, streng bildlich gesprochen: Sie ließen sich nicht gerne so darstellen, wie er das getan hatte, die Lübschen Kaufleutedynastien (und jene, die sich damit identifizierten); dem Untertitel nach beschrieb der junge Mann darin ja den „Verfall einer Familie“.
Ist eine Lektion Manns für heutige Roman-Debütant:innen also: Du darfst nicht gleich einknicken beim ersten Shitstörmchen? Vielleicht – aber auf so eine schlichte Von-Mann-lernen-Mechanik lässt er sich vielleicht auch einfach nicht bringen, der Preis für Romandebüts und ihre Verfasser:innen, der seit 2003 zweijährlich in Lübeck vergeben wird, konsequenterweise im den „Buddenbrooks“ gewidmeten Haus in der Mengstraße 4.
Sicher: Die Verantwortlichen sehen schon einen Zusammenhang zwischen heutzutage ins Roman-Rennen gehenden Schreiber:innen und jenem so bedeutenden, aber gerade in seiner Wirkung deutlich eine Ausnahme bildenden Mann-Debüt. Auf den Literaturnobelpreis zu hoffen, hat aber hoffentlich niemand den dreien empfohlen, die an diesem Dienstagabend vor ausverkauftem Buddenbrookhaus vortragen: Clemens Böckmann bringt „Was du kriegen kannst“ mit, Felicitas Prokopetz stellt „Wir sitzen im Dickicht und weinen“ vor, und Ruth-Maria Thomas ist eingeladen mit „Die schönste Version“.
Lange Debütnacht mit Lesungen von Clemens Böckmann, Felicitas Prokopetz und Ruth-Maria Thomas. Tim Haas spielt dazu E-Gitarre: Di, 18. 2., 19 Uhr, Lübeck, Buddenbrookhaus. Derzeit ausverkauft, Restplätze an der Abendkasse
Je zwei solcher Abende richtet man in Lübeck aus, alle zwei Jahre, macht sechs Autor:innen auf der Shortlist. Daraus wählt die Jury dann den:die Preisträger:in; mit anfangs 2.000 Euro war der Preis dotiert, seit 2023/2024 sind es 5.000 Euro, gestiftet von Anfang an vom örtlichen Lions-Club. Anders als bei manchem anderen Preis können nur veröffentlichte Romane teilnehmen oder solche, die schon einen absehbaren Veröffentlichungstermin haben.
Auf gut 100 beziffert Marlene Hartmann, als wissenschaftliche Volontärin am Buddenbrook-Haus automatisch Jury-Mitglied, die Zahl der zu sichtenden Romane insgesamt, aus denen dann die vorzustellenden sechs ausgewählt werden. „Wir schauen uns die Verlagsvorschauen an“, sagt sie. „Aber wir bekommen auch Hinweise von Verlagen oder sogar teilweise den Autor:innen selbst.“
Und wie geht es dann weiter? „Gar nicht so einfach zu beantworten“ sagt Hartmann mit Blick auf die „riesige Vielfalt an Themen, an Stilen und wie Menschen sich auf Geschichten einlassen in ihren Romanen“. Einerseits gehe es um die Geschichte: „Was wird uns erzählt? Ist es etwas Neues oder haben wir das schon ganz oft gelesen?“ Aber auch Vertrautes lässt sich so oder anders erzählen. Es ließe sich der Preis also durchaus ergattern – mit einer neuerlichen Chronik familiären Verfalls.
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