Landtagswahlen im Vorarlberg: Antisemitismus verdoppelt Stimmen
Die rechtspopulistische FPÖ wird bei den Wahlen im Vorarlberg zweitstärkste Kraft. Antisemitische Parolen sowie Kritik daran hatten den Wahlkampf in dem kleinen Bundesland geprägt.
Mit Antisemitismus zum Wahlerfolg. Das scheint der FPÖ in Österreichs westlichstem Bundesland Vorarlberg gelungen zu sein. Spitzenkandidat Dieter Egger gelang es, bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag das Ergebnis seiner Partei zu verdoppeln und die FPÖ mit 25,2 Prozent zur zweitstärksten Partei zu machen. Landeshauptmann Herbert Sausgruber, ÖVP, konnte aber trotz Stimmenverlusten mit 50,8 Prozent seine absolute Mehrheit verteidigen und wird weiter regieren.
Der populäre Landeshauptmann dürfte seinen Erfolg vor allem zwei zentralen Botschaften zu verdanken haben "Wenn die ÖVP die absolute Mandatsmehrheit verliert, trete ich zurück" und: "Keine Koalition mit der FPÖ". Das ist ein Bruch mit der Jahrzehnte alten Tradition, die Freiheitlichen an der Regierung zu beteiligen.
Anlass war die Warnung von Egger an Hanno Loewy, den Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems, "dieser Exiljude aus Amerika mit seinem hochsubventionierten Museum" möge sich aus dem Wahlkampf heraushalten. Der Frankfurter Museumsleiter hatte wiederholt Plakate der FPÖ kritisiert, auf denen die Beschränkung von Sozialleistungen auf Inländer gefordert wurde.
Der ebenso dumme wie antisemitisch aufgeladene Spruch und Sausgrubers unerwartet deutliche Absage an solche Hetze dominierten den Wahlkampf. Egger stellte sich als Opfer einer Medienhetze dar und Sausgruber gab sich als gütiger Landesvater mit dem Format eines Staatsmanns.
Alle anderen Parteien konnten kaum Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die in Vorarlberg traditionell starken Grünen legten nur um 0,2 Prozentpunkte auf 10,4 Prozent zu. Das BZÖ scheiterte klar an der Vierprozenthürde und die SPÖ erlitt die schlimmste Schlappe ihrer Geschichte: mit 10,1 Prozent (minus 6,8 Punkte) wurde sie kleinste Partei im Landtag.
Die Druckwelle dieses politischen Erdbebens verursachte auch in Wien Erschütterungen, zumal die Sozialdemokraten seit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Werner Faymann vor bald einem Jahr die vierte schwere Niederlage einstecken mussten. Die nächste droht kommenden Sonntag in Oberösterreich, wo Umfragen der SPÖ einen Absturz mit dem Verlust eines Viertels ihrer Stimmen verheißen.
Kanzler Faymann versuchte das rote Waterloo als lokales Phänomen kleinzureden. Konsequenzen für die Bundespartei schloss er mit einem Zitat von Willy Brandt aus: "Wenn man eine Wahl verliert, ändert man nicht die Haltung."
Den "heimatverbundenen" Anti-Ausländer-Slogans der Freiheitlichen hat aber keine Partei griffige Parolen entgegenzusetzen. Der bis vor kurzem außerhalb seines Bundeslandes weitgehend unbekannte FPÖ-Frontmann hat das vor zehn Jahren unter Jörg Haider erzielte Rekordergebnis von 27 Prozent in Reichweite. In seiner Heimatstadt Hohenems erreichte die FPÖ mit 37,98 Prozent ihr bestes Teilergebnis. "Das Hohenemser Wahlergebnis", so Hanno Loewy in den Vorarlberger Nachrichten, "ist freilich der traurigste Sieg, den es in Österreich seit 1945 gegeben hat".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau