Landtagswahl in Thüringen: CDU-Alleinherrschaft vor dem Aus
Die Thüringer CDU muss sich laut Umfragen von der Alleinherrschaft verabschieden. Doch wenn es einen neuen Ministerpräsidenten geben soll, müssten sich SPD, Linke und Grüne erstmal einigen können.
ERFURT taz | Dass die CDU in Thüringen nach zehn Jahren Alleinherrschaft ihre absolute Mehrheit verlieren dürfte, wird bei der Landtagswahl am Sonntag kaum noch für Überraschungen sorgen. Ministerpräsident Dieter Althaus wird künftig aller Voraussicht nach nur noch mit Hilfe der FDP oder SPD regieren können.
Dies ist angesichts der rot-roten Planspiele, die den Wahlkampf-Endspurt mächtig angeheizt haben, allerdings fast zur Nebensache geworden. In der Öffentlichkeit wird vor allem eine Frage diskutiert: Ist in Erfurt auch ein Bündnis von SPD, Linkspartei und Grünen möglich?
Bei der Wahl 2004 hatte die CDU ihre absolute Mehrheit mit 43 Prozent noch knapp verteidigt. In den letzten Umfragen lag die Partei bei maximal 34 Prozent. Althaus spricht deshalb nur noch davon, dass er eine "Gestaltungsmehrheit" erreichen und Rot-Rot verhindern will.
Zwar könnten SPD, Linkspartei und Grüne rein rechnerisch womöglich eine Koalitionsmehrheit zusammenbekommen. Allerdings liegt die Linke mit bis zu 25 Prozent in allen Umfragen klar vor der SPD, die auf maximal 20 Prozent kommt; die Grünen indes müssen noch um den Einzug in den Landtag bangen. Damit scheint ein vom linken Spitzenkandidaten Bodo Ramelow favorisiertes rot-rotes Bündnis eher unwahrscheinlich. SPD-Spitzenmann Christoph Matschie versichert ein ums andere Mal, dass er einem Ministerpräsidenten Ramelow nicht ins Amt verhelfen werde. Dies wäre, so Matschie, ein "Experiment mit ungewissem Ausgang".
Ramelow selbst sorgte durch teils missverständliche Äußerungen für heftige Diskussionen. So bekräftigte er in einem Interview den Anspruch der Linkspartei auf den Ministerpräsidentenposten in einer rot-roten Koalition mit den Worten: "Wir sind der Koch, die SPD ist der Kellner." An anderer Stelle schloss Ramelow nicht aus, dass seine Partei einen SPD-Regierungschef mitwähle, selbst wenn die Linken bei der Wahl vorne lägen.
Äußerungen des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier zu möglichen Mehrheiten von SPD, Linkspartei und Grünen im Saarland und Thüringen befeuerte die Debatte noch. Eine SPD-Regierungsbeteiligung dort könne für die SPD einen Positivtrend begründen, sagte Steinmeier.
Die Union lässt deshalb keine Gelegenheit aus, um vor einer rot-roten Gefahr zu warnen. Zwar lässt sich Althaus ebenso wie sein Kontrahent Matschie vor der Wahl nicht zu Koalitionsaussagen hinreißen. Am liebsten würde die CDU aber wohl die Liberalen mit ins Boot holen.
Doch es könnte eng werden. Zwar erreicht die FDP in den jüngsten Umfragen bis zu zehn Prozent, für eine schwarz-gelbe Mehrheit würde dies aber nicht reichen. Denkbar ist daher auch eine Wiederauflage der großen Koalition, die in Thüringen schon einmal von 1994 bis 1999 regierte, damals unter Althaus' Amtsvorgänger Bernhard Vogel (CDU).
Althaus steht seit sechs Jahren an der Spitze des Landes. Als Landesvater ist der 51-Jährige nach wie vor beliebt. Daran hat auch der schwere Skiunfall in Österreich nichts geändert. Dennoch überschattet der Unfall den Wahlkampf.
Althaus war am Neujahrstag auf einer Skipiste mit der Mutter eines kleinen Kindes zusammengestoßen, die dabei starb. Der selbst schwer am Kopf verletzte Althaus wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt und ist erst seit April wieder politisch aktiv.
Während sich die Opposition an ihre Zusage hielt, den Skiunfall vor der Wahl nicht auszuschlachten, machte Althaus das Ereignis wiederholt selbst in den Boulevardmedien zum Thema und brachte damit die politischen Gegner gegen sich auf. SPD und Linke sprachen von "schamloser Selbstinszenierung" und warnten davor, den Unfall im Wahlkampf zu instrumentalisieren.
Althaus wird sich nun vorerst nicht mehr öffentlich zu Einzelheiten des Unfalls äußern - allerdings nicht auf Druck der Opposition. Vielmehr haben seine Rechtsvertreter laut einem Zeitungsbericht mit dem Anwalt des Witwers der getöteten Frau eine Stillschweigevereinbarung geschlossen.
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