Landtagswahl in Niedersachsen: Als wäre Rot-Grün schon gewählt
SPD und Grüne präsentieren sich vor der Wahl in Niedersachsen so, als ob Rot-Grün schon an der Macht sei. Es könnte knapp reichen.
BERLIN taz | Stephan Weil ist fest entschlossen, sich von der Frage nach Peer Steinbrück nicht die Laune verderben zu lassen. „Die SPD hat einen sehr guten Kanzlerkandidaten“, sagt Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat also. „Meine Erfahrungen mit Steinbrück im Wahlkampf sind gut. Ich setze auf seine Unterstützung.“ Da gebe es keinerlei „Bremsspur“ durch die Diskussion über das Kanzlergehalt.
Weil sagt tapfer, was er sagen muss. Weil, 54, Oberbürgermeister von Hannover, will Ministerpräsident in dem Flächenland mit knapp 8 Millionen Einwohnern werden. Er sitzt an diesem Freitag neben Grünen-Landeschefin Anja Piel in der Berliner Bundespressekonferenz.
Eigentlich will Weil erklären, wie toll es läuft mit Rot-Grün. Und abgesehen von der Steinbrück-Frage stehen die Chancen für ihn tatsächlich nicht schlecht, die schwarz-gelbe Regierung unter CDU-Ministerpräsident David McAllister in Niedersachsen abzulösen.
In der neuesten Umfrage legt Weils SPD einen Prozentpunkt zu und liegt bei 34 Prozent. Die CDU käme auf 40 Prozent. Zusammen mit den Grünen, die bei 13 Prozent liegen, würde es für Rot-Grün reichen. Grund ist, dass Niedersachsen auf ein Drei-Parteien-Parlament zusteuert. Weder die FDP (4 Prozent) noch Linkspartei oder Piraten (jeweils 3 Prozent) schaffen es laut Umfrage über die 5-Prozent-Hürde.
Gut für die Mehrheit im Bundesrat
Weil und Piel geben sich betont siegesgewiss. Nach einem Wahlsieg werde Rot-Grün seine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat nutzen, um etwa das Betreuungsgeld zu stoppen, kündigt Weil an. Ebenso werde man über die Länderkammer Themen wie den Mindestlohn in die Bundespolitik einbringen. In der Tat würden SPD und Grüne ihr Übergewicht im Bundesrat durch einen Machtwechsel komfortabel ausbauen. Schwarz-Gelb hätte dann nur noch 15 der 69 Stimmen.
Weil betont, die Wahl werde jedoch über Landesthemen entschieden. „Topthema“ sei die Bildungspolitik. Niedersachsen verzeichne unter allen Bundesländern den stärksten Bevölkerungsrückgang, sagt Weil. „Je weniger junge Menschen man hat, desto mehr muss man sich um ihre Qualifikation und Bildung bemühen.“ Das sei „Wirtschaftsförderung pur“. Als Beispiel nannte Weil die Studiengebühren. Während Schwarz-Gelb an den Gebühren festhält, wollen SPD und Grüne sie im Falle einer Regierungsübernahme bis 2014 abschaffen.
Piel, die grüne Spitzenkandidatin, betont, es gebe Regionen und Bevölkerungsgruppen in Niedersachsen, die abgehängt seien. „Es gibt Kinder, die von der Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen sind.“ CDU und FDP sei es nicht gelungen, die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Wohlstand für alle umzuwandeln.
Wolkige Antwort
Beide Politiker betonen mehrfach die Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien. „Die Konzepte unterscheiden sich auf vielen Baustellen kaum“, sagt Piel. Weil sagt, im Moment mache zwar jeder seinen eigenen Wahlkampf. „Es gibt aber einen großen Konsens.“
Angesichts so viel Einigkeit ist bezeichnend, dass Piel nur bei der Frage nach Unterschieden der Möchtegern-Partner kurz aus dem Konzept gerät. Bei der Energiewende hätten es die Grünen gerne kleinteiliger, auch bei der Mobilität und in der Umwelt- und Klimapolitik gebe es „etwas abweichende Auffassungen“, antwortet sie wolkig, ohne klar Differenzen zu benennen. Das wirkt fast, als säßen da schon Kabinettsmitglieder beieinander.
Die Feststellung, dass McAllister in allen Beliebtheitsumfragen weit vor ihm liegt, kontert Weil. Seitdem er neulich mit Gerhard Schröder darüber gesprochen habe, bereite ihm dies keine Sorgen mehr. Der Exkanzler sagte, vor der Wahl 2005 sei er weitaus prominenter gewesen als Angela Merkel. Was daraus wurde, ist bekannt.
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