Landtagswahl in Baden-Württemberg: "Wir spüren eine Menge Wut"

Der CDU-Regierungschef Mappus kann auf die Gewohnheitswähler hoffen, sagt der Politologe Thorsten Faas. Und nur die Grünen werden von der Atomdebatte und dem S21-Streit profitieren.

Themen haben ihre Konjunktur: Auch der Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten. Bild: dpa

taz: Herr Faas, noch nie war es vor einer Landtagswahl in Baden-Württemberg so knapp. Wie stark ist die Wechselstimmung im Ländle?

Thorsten Faas: Man kann eine deutliche Polarisierung feststellen, was bei früheren Wahlen nicht der Fall war. Auch die Person des CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus polarisiert sehr. In unseren Umfragen ist schon eine Menge Ärger und Wut spürbar, denen die Bürger Luft machen wollen. Und da ist ein Machtwechsel das probateste Mittel. Zudem nimmt man auf der Oppositionsseite die einmalige Chance wahr, an die Regierung zu kommen. Ein Machtwechsel hätte in Baden-Württemberg nach fast 60 Jahren CDU-Regierung noch einmal eine ganz besondere Dimension.

Wie wird sich dieses Kopf-an-Kopf-Rennen auf die Wahlbeteiligung auswirken?

Die Baden-Württemberger waren nie die Wahlfreudigsten. Aber zum einen haben wir schon durch Stuttgart 21 eine starke Polarisierung und Politisierung erlebt, was durch die aktuelle Atomdiskussion nochmals verstärkt wird. Zum anderen haben die Leute bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen eher das Gefühl, dass es um was geht und ihre Stimme Gewicht hat. Das sollte die Wahlbeteiligung erhöhen.

Wird die Atomdebatte Mappus das Amt kosten?

Die Lage in Japan und ihre Folgen für die deutsche Atompolitik dominieren derzeit die politische Agenda. Entscheidend ist, dass diese Themen nicht parteipolitisch neutral sind. Klar ist, dass eine Situation, in der die Menschen unter dem Eindruck der Atompolitik ihre Wahlentscheidung treffen, Union und FDP schadet. Umgekehrt profitieren davon vor allem die Grünen. Historisch ,gehört' ihnen das Thema, hier gelten sie als kompetenteste politische Kraft. Die Folgen zeigen die aktuellen Umfragen.

THORSTEN FASS, 35, ist Juniorprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Mannheim. Sein Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Wählerverhalten.

Welche Rolle spielt jetzt noch der Bahnhofsstreit?

Ich glaube nicht, dass er noch die Wahl entscheiden wird. Das Thema hat an Bedeutung verloren. Das hat mit der Schlichtung zu tun, zeigt aber auch, dass Themen eine eigene Konjunktur haben, die schwer zu verstetigen ist.

Wird es Wähler geben, die im Herbst noch gegen Stuttgart 21 demonstriert haben, aber doch wieder ihr Kreuzchen bei der CDU machen?

Regierungsparteien legen üblicherweise kurz vor der Wahl noch ein wenig zu, auch weil die Wähler denken: Vieles hat mir zwar nicht gefallen, aber eigentlich bin ich doch alles in allem ganz zufrieden. Ob dieses Muster allerdings bei dieser außergewöhnlichen Lage greift, ist mehr als offen. Richtig ist aber auch, dass es noch ein beachtliches Maß an Unentschlossenheit gibt im Land.

Könnten Erstwähler die Wahl entscheiden? Sie werden politisch damit groß, dass Schwarz-Gelb nicht zwangsläufig gewinnt.

Es hat einen prägenden Effekt, dass in Baden-Württemberg ein Machtwechsel möglich ist. Und gerade die erste Wahl, an der man teilnimmt, kann eine sehr lange Auswirkung haben. Schon das könnte die Opposition als Erfolg verbuchen. Doch gleichzeitig ist die Wahlbeteiligung bei jungen Menschen besonders gering, sodass diese Wählergruppe bei der bevorstehenden Landtagswahl nicht ausschlaggebend sein wird.

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